Santiago Calatrava im Porträt, Teil 2

Strukturen für die Zukunft

Vor allem ist er bei Stadtvätern äußerst beliebt, die neue urbane Wahrzeichen planen. Die Anwohner teilen deren uneingeschränkte Begeisterung jedoch nicht immer. Liège 2009:

Ob der zweifache Familienvater laut Time Magazin zu den 100 einflussreichsten Menschen zählt, ist den kleinen Leuten im lütticher Guillemin-Viertel nicht nur vollkommen wurst, sie sind wütend.

Wie der futuristische UFO-Komplex an die gewachsene städtische Infrastruktur angebunden werden soll, steht in den Sternen. Nach über acht Jahren Großbaustelle soll das Quartier jetzt dem Erdboden gleichgemacht und eine Schneise bis zur Maas geschlagen werden.

„Wir wollen hier nicht weg, müssen es aber. Wo sollen wir hin?“, die verhärmt wirkende Belgierin ist am Ende. Fehlplanung!

Extravagant - wenig praktischer Nutzen

Der Fußgänger ohne Führerschein möchte mit seinen Bauten etwas ausdrücken. In einem Interview des Dokumentarfilmers Christoph Schaub sagt er, „dass die Fußgänger eine Priorität in seinen Brücken bekommen. Die Brücken müssen zu einem Erlebnis werden, diesen präzisen Stadtteil zu prägen".

Doch das war vor 2007, vor Venedig: Rollstuhlfahrer sind strenggenommen keine Fußgänger, daher außen vor. Aber das Erlebnis einer Besteigung hätte für die Senioren in der tatsächlichen Zielgruppe eigentlich anders ausfallen müssen.

Die Frage, ob der venezianische Baustil-Mix zwischen Byzanz, Gotik und Renaissance „überprägt“ werden darf, stellt sich ihm nicht. Auch die erneut enormen Kosten machen ihm nichts aus. Calatrava hält die neue Brücke für die schönste, die er je entworfen hat.

Die Kritik wird lauter

Der viersprachige Feingeist, als Maler und Bildhauer ebenfalls kreativ, sieht sich in seinem Heimatland ebenfalls wachsendem Unmut ausgesetzt.

Hier herrscht auch nicht immer eitel Sonnenschein: Die baskische „Weiße Brücke“ ist bei Regen eine Rutschbahn, der „Palau“ nicht wasserdicht, der Flughafen von Bilbao hat überhaupt keinen Ankunftsbereich, es gibt Querelen in Palma wegen der Oper, in New York sind es einmal mehr die Kosten für Ground Zero. „Ich will nicht verstanden werden“, zitiert ihn „El País“.

Er macht es uns aber auch schwer. Unbenommen, sein Werk ist grandios, aber es scheint, dem Dr. Ing. fehlt es mitunter an Gespür für den praktischen Nutzen.

Calatrava: Schwingungen in Weiß

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Der Autor:

Jan Power, in Köln geboren, in Irland verwurzelt, studierte Anglistik, Romanistik und Geographie. Als Software-Localizer und technischer Redakteur arbeitete er auf internationalen Ebenen.