Paco de Lucía im Porträt

Paco de Lucía war einer der besten Flamenco-Gitarristen Spaniens, ein Star, auch bei uns in Deutschland. Hier das Porträt eines der besten Musiker Europas. Im Februar 2014 verstarb er überraschend mit nur 66 Jahren.

von Gaby Fassbender

“Mi nombre es Francisco Sánchez Gómez alias Paco de Lucía, y soy guitarrista” sagte der berühmteste Gitarrenvirtuose Spaniens bescheiden. Ja, er war ein Gitarrenspieler, Großmeister des Flamenco trifft es aber eher. Kenner nennen ihn „mano de oro“ (goldene Hand), und wer ihn spielen hörte, wusste warum. 2014 kam er mit nur 66 Jahren in Mexiko ums Leben.

Kontrollierte Inbrunst

Mit seiner mehrköpfigen Band füllte er internationale Konzertsäle, besucht aber auch gerne kleine Bühnen. Seine Musiker trommelten auf dem „cajó̒n“ (würfelförmige Holzkiste), klatschten rhythmisch, sangen, spielten Bass und Flamenco-Gitarre. De Lucías Finger glitten über die Seiten, schlugen, zupften und trommeltn in einem unglaublichen Tempo, kontrolliert und doch voller Inbrunst, fast losgelöst vom restlichen Körper.

Musik, die ins Blut geht

Die Musik nähert sich dem Höhepunkt und jetzt tanzt einer von ihnen, ekstatisch im Rhythmus, wirbelt er auf der Bühne herum. Spätestens da hält es kaum noch jemanden auf den Sitzen. Paco de Lucías Musik geht ins Blut, keine Frage. Nach einem Konzert fragt man sich: Ja, was ist denn da gerade mit mir passiert? Und trinkt dann am besten erst mal einen guten spanischen Rotwein auf den Virtuosen.

Von Papas Gitarre bis ENVIVO

Paco de Lucía (64) greift erstmals als Fünfjähriger in die Saiten der Gitarre seines Vaters, beherrscht schnell die traditionelle Spielweise und bereichert sie bald mit den Rhythmen von Jazz, Rumba und Klassik. All das lässt er in sein einzigartiges Spiel einfließen. Schon mit zwölf Jahren nimmt er den ersten Preis beim Flamenco Festival in Jerez de la Frontera entgegen. Ende der 80er Jahre spielt er mit den Jazzgitarristen Al di Meola und John McLaughlin das Live-Album „Friday Night in San Fransisco“ ein und wird schlagartig weltberühmt. Und mit Ende 50 überrreicht ihm die Berkley College of Music den Ehrendoktor. In der Zwischenzeit kommen über 30 Platten auf den Markt, seine aktuellste CD vom November 2011 heißt “Paco de Lucía, ENVIVO, Conciertos España 2010”.

Paco, der Junge von Lucía

Der Erfolg des Musikers liegt in der Familie. Im Dezember 1947 kommt Francisco Sánchez Gómez als Sohn der Portugiesin Lucía und des Andalusiers Antonio in Algeciras zur Welt. Er ist der jüngste von fünf Kindern. Die Mutter schildert er später als wunderbare Glucke voller Wärme und Herzlichkeit, den Vater als Patriarchen. Antonio verkauft tagsüber Stoffe und spielt nachts Gitarre auf Jahrmärkten. Als der Sohn zu spielen beginnt, ist der Vater außer sich vor Freude und weiß: der kleine Paco wird einmal lo más grande, der Beste, der Größte. Paco übt täglich mehrere Stunden, und anders als seine musikalisch ebenfalls begabten Brüder Ramón und Pepe ist er schnell bekannt. Auf Festivals und Wettbewerben nennen sie ihn fortan nur noch „Paco von der Lucía“ (seiner Mutter). Das ist bis heute sein Markenzeichen.

Selbstzweifel, Furiosität

Er lebt intensiv, arbeitet wie besessen und ist dabei meist sehr ruhig und in sich gekehrt. An ihm nagt zeitlebens der Zweifel, ob er gut genug ist. Die Musik macht ihn zu einem großen Egoisten, was er durchaus als Bürde empfindet. Aber als waschechter Andalusier ist er selbstverständlich stolz auf sein Leben. Mit 29 heiratet er ein Mädchen aus gutem Hause. Casilda Varela ist die Tochter eines spanischen Franco-Generals und seine große Liebe. Sie bekommen zwei Töchter und einen Sohn, die er wegen der vielen Auftritte nicht allzu oft sieht. Inzwischen ist er Großvater.

Das Spiel mit der Harpune

Paco de Lucía liebte nicht nur die Gitarre. Er fuhr gerne nach Mexiko, liebte die Luft und die Farben dort und entspannte sich beim Unterwasserfischen. Mit der Harpune auf Beutejagd zu gehen war für ihn eine willkommene Abwechslung zur Tablao-Bühne. Der gefangene Fisch kam abends auf den Tisch, mehr brauchte er nicht! In Mexiko wollte er sich ganz zur Ruhe setzen. Und eben dort verstarb er in Cancún Ende Februar 2014 an einem Infarkt.
 

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Die Autorin

Gaby Fassbender lebte über viele Jahre in Asien und Südamerika als Fotografin und Dozentin für Bildbearbeitung und Visuelle Kommunikation. Paco de Lucía erlebte sie bei einem Livekonzert und war begeistert. Seit 2012 wohnt sie in Köln.