Juan de la Cruz: Heiliger Künstler

Dass Spanien als Land der „Inbrunst und Düsternis“ (Emil Lucka) gilt, liegt auch an seiner religiösen Mystik. Der heilige Johannes vom Kreuz (San Juan de la Cruz) steht neben Teresa von Ávila für diese Tradition. Dabei verlief das Leben des 1542 als Juan de Yepes Álvarez geborenen Karmelitenbruders alles andere als gradlinig.

von Jan-Gerd Terhechte

Von den Mitbrüdern des eigenen Ordens wird er 1577 in Toledo als Rebell inhaftiert. Wasser und Brot als einzige Speise sind nur ein Teil der Strafe. Tag für Tag bekommt er von jedem seiner ungefähr 80 Mitbrüder einen Hieb auf den Rücken.

Teresa von Ávila schreibt aus Protest an König Philipp II.: „Ich würde ihn lieber unter den Mohren wissen, denn diese würden vielleicht mehr Erbarmen üben.“

Unter abenteuerlichen Umständen flieht Juan nach acht Monaten Haft und versteckt sich bei befreundeten Ordensmitgliedern.

"Klein von Wuchs, groß vor Gott"

Juan, der früh den Vater verliert, wächst mit der ständigen Drohung des Armenhauses in Fontiveros bei Ávila auf. Er arbeitet als Handwerker auf dem Bau und pflegt Kranke in einem Hospital.

Körperliche Arbeit und das Mit-Handanlegen bleiben für ihn das ganze Leben lang wichtig. Ebenso der Kontakt zu den einfachen Leuten. Er will verständlich und nützlich bleiben.

Zusätzlich erhält er eine vorzügliche theologische und literarische Ausbildung in Medina del Campo und Salamanca. 1567 begegnet er der 52-jährigen Teresa von Ávila, die ihn mit ihren Reformplänen davon überzeugt, im Karmelitenorden zu bleiben.

Teresa schreibt: „Wohl ist er klein von Wuchs, aber, wie ich glaube, groß vor Gott. Er ist noch jung, hat indes schwerste Bußen bestanden.“ 

Teresa überträgt ihm mehrere Aufgaben innerhalb des Ordens. Er hilft an verschiedenen Orten in ganz Spanien, ihre Reformen umzusetzen und weiterzuentwickeln.

Eines seiner Bestreben: Nonnen sollen einen Beichtvater ihres Vertrauens wählen können.

"Unbeschuhte Störenfriede"

Als Sündenbock wird Juan in den Streit zwischen „beschuhten“ und „unbeschuhten“ Karmeliten hineingezogen, der für ihn als „unbeschuhten“ mit der Haft in Toledo endet.

Für den Vatikan sind die „Unbeschuhten“ Störenfriede. Es ist die Zeit der Gegenreformation. Religiöse Konflikte werden mit großer Heftigkeit ausgetragen.

Die Bartholomäusnacht in Paris ist erst fünf Jahre vorbei. Die historischen Fluchtlinien laufen auf den Dreißigjährigen Krieg zu. Die Inquisition wütet weit heftiger als im Mittelalter.

Das Erweckungserlebnis des Juan de la Cruz

Das Erstaunliche ist nun, dass dieser neue Tiefpunkt seines Lebens – und seiner Zeit - für Juan zu einem Erweckungserlebnis führt. Er schreibt und zeichnet in seiner finsteren Zelle.

Seine Gedanken kreisen um die Tatsache, dass auch Gott in Gestalt von Jesus tief gefallen ist. Gott wird also nicht von seiner Macht aus gedacht, sondern mit Schweigen und Dunkelheit in Verbindung gebracht.

„Die dunkle Nacht der Seele“  heißt denn auch eines seiner berühmtesten Gedichte. In ausführlichen Kommentaren zu den eigenen Gedichten hat Juan seine Theologie entfaltet.

Die verzweifelte Seite seines Denkens macht ihn aktuell für religiöse Denker des 19. und 20. Jahrhunderts, darunter Thérèse von Lisieux, Simon Weil oder Edith Stein. Noch Papst Johannes Paul II. hat seine Doktorarbeit über Juan geschrieben.

All diese Denker fasziniert, wie Juan aus seiner Theologie der Verzweiflung eine Bejahung der Welt und eine ganz praktische Haltung der Liebe im Alltag ableitet. Und das in Gedichten, die sich an die Tradition der Liebeslyrik anlehnen.

Schutzpatron der spanischen Dichter

1591 stirbt Juan im andalusischen Úbeda, noch nicht einmal 50 Jahre alt, krank und wieder von Mitbrüdern schlecht behandelt. 1726 wird der „unbeschuhte“ Karmelitenbruder von Benedikt XIII. heilig gesprochen. 

Im März 1993 ernennt ihn der eben genannte  Johannes Paul II. zum Schutzheiligen der spanischsprachigen Dichter. Immer wieder wird er in Aufzählungen berühmter spanischer Dichter bis hin zu Federico García Lorca genannt.

Der amerikanische Literaturwissenschaftler Harold Bloom hat ihn sogar in seinen viel beachteten Kanon der Weltliteratur  aufgenommen. Übersetzungen ins Deutsche gibt es etwa von Stefan George.

Vorsicht Verwechslung!

Nicht verwechseln sollte man den Schutzpatron der spanischsprachigen Dichter mit einem anderen Juan dela Cruz – man beachte hier das zusammengeschriebene „dela“.

Dieser ist nämlich das Nationalmaskottchen der Philippinen, wie etwa der Uncle Sam das Nationalmaskottchen der USA ist. Manchmal wird mit dem Namen Juan dela Cruz auch die Mentalität der Philippiner bezeichnet.

So wie der Begriff „el duende“ für die Mentalität Spaniens steht, des Landes der „Inbrunst und Düsternis“.

Der Autor:

Jan-Gerd Terhechte, TV- und Online-Redakteur, lebt in Bielefeld und Köln.