Franco-Symbole auf dem Chinamarkt
Trotz Herbst diskutiert Spanien mal wieder ein Sommerloch-Thema: Franco-Symbole. Dabei hat das Land ganz andere Sorgen.
von Tobias Büscher
Jahrmarkt in Quijorna nahe Madrid. Ein Kaff mit 3000 Einwohnern auf der staubigen kastilischen Hochebene. Die Bürgermeisterin Mercedes García hält eine Rede. Sie lobt und ehrt am Mikro die "für Gott und Spanien Gefallenen". Gleich daneben gehen auf dem Platz Kinderballons, Plüsch-Stiere, historische Flaggen und Hakenkreuze über den Ladentisch.
Es ist nicht das Jahr 1979. Es ist der vergangene Sonntag! Wenige Tage später tauchen die Bilder zu dem Festakt im Internet auf und wieder debattiert das ganze Land: Dürfen Symbole aus der Franco-Zeit in Spanien noch kursieren? Die oppositionelle Linke der PSOE will Mercedes García anklagen, die Regierungspartei PP hält das für Unsinn und das Ausland schüttelt den Kopf.
Aufmarsch der ewig Gestrigen
Ein hoch verschuldeter Staat, Selbstmorde wegen Zwangsräumungen, weniger Rente. Jeder zweite Jugendliche im Land ist arbeitslos. Und das Land diskutiert über alte Flaggen? Um das zu verstehen, ein kurzer Blick zurück: Spanien hat nach Francos Tod 1975 ein sogenanntes Gesetz der Erinnerung verabschiedet mit dem Tenor: Verbrechen aus der Zeit des Spanischen Bürgerkriegs und aus der Franco-Zeit bleiben juristisch unrelevant.
Das sollte die Übergangszeit zur Demokratie erleichtern und eine gigantische Prozesswelle verhindern. Geklappt hat das bestens, das Amnestiegesetz war damals sinnvoll. Nur erheben genau deshalb bis heute greise Folteropfer Francos auf der Puerta del Sol in Madrid ihre Fäuste, während im nahen Viertel La Latina chinesische Händler Franco-Symbole zum Sonderpreis anbieten, vorzugsweise Flaggen und Messer.
Mehr noch. An jedem 20. November treffen sich die Franco-Fans am Tal der Gefallenen westlich von Madrid, wo der Caudillo in einer gigantischen Felskapelle beerdigt ist. Verboten ist das nicht. Im Gegenteil, die finanzstarke Nationalstiftung Francisco Franco fördert das martialische Meeting nach wie vor.
Erst 2009 verliert Franco alle Ehrentitel
Noch bis vor wenigen Jahren gab es vielerorts den Platz Generalíssimo. Bis 2008 stand sogar noch das berüchtigte Gefängnis Carabanchel südlich von Madrid, wo das Regime einst tausende politische Gefangene misshandelte und tötete.
Und in El Ferrol, Francos Geburtsstadt in Galicien, guckte der General zu Pferd als gusseiserne Statue noch Jahrzehnte nach 1975 auf dem Hauptplatz auf die Untertanen. Das unglaublichste aber: Erst 2009 sind dem einstigen Diktator alle Ehrentitel aberkannt worden!
Und dient bis heute als politische Steilvorlage
Franco dient aber keineswegs nur chinesischen Händlern und rechtskonservativen Stiftungen. Mit ihm lässt sich auch wunderbar Politik machen. José Antonio Martín Pallín, ein eher linker Oberlandesrichter AD, hat jetzt dem Onlineportal von El País erklärt: es gibt eine soziologisch franquistische Masse von gut 10 Prozent, die den konservativen Regierungschef Mariano Rajoy favorisiert.
Andere wiederum, vor allem die Katalanen, nutzen Franco als Argument für die Eigenständigkeit. Pikant an all dem: Der Diktator Spaniens ist in zwei Jahren schon 40 Jahre lang tot. Doch zur Ruhe kommt selbst er nicht.
Denn bereits mitten in der Wirtschaftskrise, also 2010, diskutierte das Land unter Regierung der linken PSOE die Umbettung des Caudillo aus seinem Mausoleum, weil es einst von politischen Gefangenen errichtet worden ist. Doch selbst diese Aufgabe wird nicht leicht, sollte daraus jemals Realität werden. Die Granitplatte über der verstaubten historischen Machtfigur Spaniens wiegt 1500 Kilogramm.