Menschenrechte für ETA-Mitglied

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verurteilt die „Parot-Doktrin“ Spaniens und verlangt die Freilassung einer ETA-Angehörigen aus der Haft. Die spanische Regierung wird Rechtsmittel einlegen.

von Marcos Fernández Vacas

Seit heute Mittag ist dies eine der Hauptnachrichten in allen spanischen Medien: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verlangt die Freilassung des ETA-Mitgliedes Inés del Río Prada und verurteilt die Rechtsauffassung Spaniens im Kampf gegen den Terrorismus der baskischen Separatisten. Die spanische Regierung wird Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen und die Inhaftierte Inés del Río nicht freilassen.

„Parot-Doktrin“ ist rechtswidrig

Das Gericht beanstandet die weitere Inhaftierung del Ríos, da eine verlängerte Haftdauer durch die Revision des ersten rechtskräftigen Urteils „irregulär“ ist. Spaniens Justiz wendet in diesen Fällen seit 2006 ein Gesetz an, das nun zu diesem Urteil von Straßburg geführt hat: die sogenannte „Parot-Doktrin“. Der Oberste Gerichtshof Spaniens schuf damals dieses Gesetz, um die Freilassung von ETA-Terroristen zu  verhindern, die nach dem Strafgesetzbuch von 1973 verurteilt worden sind.

Denn dadurch wären die ersten Gefangenen freigekommen, die von 1977 bis 1995 Terroranschläge verübt haben. 30 Jahre waren nach damaligem Strafrecht die Höchststrafe. Dadurch wurde die im Jahr 2007 vorgesehen Freilassung von Henri Parot verhindert. Das Europäische Gericht verurteilt Spanien außerdem zur Zahlung von 30.000 Euro an del Río wegen Erleiden moralischer Verletzungen.

Das Attentat vom 14. Juli 1986

Nach Auffassung des Gerichtes hat Spanien gegen zwei Artikel der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen. Artikel 7 besagt: Keine Strafe ohne bestehendes Gesetz. Artikel 5.1: Recht auf Freiheit und auf Sicherheit. Inés del Río Prada nahm die Polizei im Juli 1988 in Zaragoza fest.

Sie hatte 35 Kilo Sprengstoff bei sich und wollte Attentate an der Costa del Sol verüben. Sie wurde zu 3.000 Jahren Freiheitsentzug verurteilt, wobei über 2.000 auf die Hilfe entfielen, die sie dem Kommando Madrid geleistet hatte, als am 14. Juli 1986 ein Attentat auf einen Konvoi der Guardia Civil am Platz der Dominikanischen Republik in Madrid 14 Menschen das Leben kostete und weitere 40 verletzte. Inés del Río Prada sollte nach spanischer Rechtsprechung erst im Juli 2017 freikommen.