Am Ufer, ein Roman des Spaniers Rafael Chirbes

El País und andere Medien feiern den Roman ihres Erfolgsautors als die beste erzählerische Analyse der gegenwärtigen Wirtschaftskrise in Spanien. Am Ufer handelt von Esteban, der seine Schreinerei verliert und fortan jeden Halt zu verlieren droht. Jetzt ist das Buch auch auf Deutsch erschienen.

von Tobias Büscher

Auf dem Cover spiegeln sich Rohbau-Appartements im Wasser. Im ersten Satz taucht das Wort Aas auf. Und dann wird es so drastisch, dass wir von Spanien Reisemagazin die Übersetzerin nicht gerade beneiden. Denn Dagmar Ploetz hat ein 430 Seiten dickes Buch über die Krise (nicht nur) in Spanien übersetzt. Begriffe wie Totengräber, Unkraut und Scheißmarokkis inklusive.

Was dabei herausgekommen ist? Rafael Chirbes hat einen Roman über die Fratze der Armut nach der Gier der Baulöwen und Banker geschrieben. Und das realistisch, psychologisch einfühlsam, kaum Partei ergreifend. Und doch anklagend wie einst die Kriegsbilder von Francisco de Goya während der französischen Besatzung Madrids. Das Buch geht unter die Haut. Und verursacht alles andere als gute Laune.

Harter Alltag, kleine Fluchten oder gleich über den Teich

Rafael Chirbes beschreibt anhand vieler Protagonisten den Alltag am spanischen Mittelmeer. Wo im Schatten des Tourismus ganze Familien ihre Lebensgrundlage verloren haben. Seine Hauptfigur, der Schreiner Esteban, verkörpert all die Spanier ohne Job, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei über 50 Prozent und viele emigrieren.

Er brauche, erklärte Chirbes in einem Interview mit der Tageszeitung El País, nur aus dem Fenster zu sehen, und schon habe er allen Stoff für so ein Buch. Die Stille, nachdem die Bagger ihre Großbaustellen im Stich gelassen haben. Die Wut, weil die Sozialhilfe nicht mal fürs Benzin reicht. Auch Humor blitzt auf ab und zu, doch Am Ufer hätte auch einen anderen Titel haben können: Am Abgrund.

Keine Frage, vor zehn Jahren hätten die meisten Feuilletonisten in Spanien den Autor als Spielverderber und Miesmacher abgestempelt. Heute feiern sie ihn.

Fazit: Ein packendes, drastisches Buch über die vielen Facetten des wirtschaftlichen Niedergangs.

Kurzporträt des Autors

Der spanische Autor Rafael Chirbes (*27.6.1949) stammt aus Valencia und lebt mit Hunden und Katzen zurückgezogen an einem Ort zwischen Valencia und Alicante. Mit vier Jahren kam er ins Waisenhaus der Gleisarbeiter, als sein Vater starb.

Später hat er in Madrid Geschichte studiert und unter Franco als Widerständler im berüchtigten Gefängnis Carabanchel eingesessen. Er nennt sich selbst einen Marxisten und Materialisten, den nichts mehr ärgert als Egoismus, Populismus und Korruption.

Chirbes berühmte Bücher

Seine Bücher wie Der Fall von Madrid und Der lange Marsch befassen sich detailliert mit der spanischen Gesellschaft zwischen Franco-Ära und Gegenwart. Während Der lange Marsch die Geschichte mehrerer Familien über drei Jahrzehnte erzählt, spielt Der Fall von Madrid an einem einzigen Tag.

Beide Bücher sind wie Am Ufer im Verlag Antje Kunstmann erschienen. Genießer ist der Mann übrigens auch. Er schreibt u.a. für das Gourmetmagazin Sobremesa.

Daten zum Buch

Titel: Am UferPreis: 24,95Seiten: 400Verlag: Antje KunstmannAuflage: 1. (15. Januar 2014)

Sprache: Deutsch

ISBN: 978-3888978678

Originaltitel: En la orillaI