Jordi Pujol spricht über ein unabhängiges Katalonien

Bonn. Der ehemalige Regierungschef Kataloniens, Jordi Pujol, ist auf Einladung des Vereins zur Förderung der Städtepartnerschaft Köln-Barcelona derzeit im Rheinland. Anlass ist das 30-jährige Jubiläum der Städtepartnerschaft zwischen Köln und Barcelona. Am gestrigen Abend gab es mit ihm als Gast eine Podiumsdiskussion zum Streitthema unabhängiges Katalonien.

von Marcos Fernández Vacas

Jordi Pujol merkt man sein hohes Alter an. Der mittlerweile 83-jährige ist klein von Wuchs, aber noch immer ein großer Redner. Kein Wunder, war er doch von 1980 bis 2003 Regierungschef Kataloniens. Er hat zwar eine etwas zittrige Stimme und nicht jedes Argument überzeugt. Aber weiterhin tritt er leidenschaftlich für eine friedliche Loslösung Kataloniens von Spanien ein.

Pujol für eine Stärkung der Regionen in Europa

Der Konferenzsaal  in der Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik war am gestrigen frühen Abend gut gefüllt.  Präsident Bodo Hombach führte mit einer politischen Analyse zum Thema „Dimensionen der europäischen Integration - zwischen Separatismus, Populismus und Regionalismus“ in den Abend ein. Auch Jordi Pujol ergriff vom Podium aus das Wort und griff dabei das – bis jetzt – unerfüllte politische Ziel eines Rates der Regionen auf, das eine Stärkung aller spezifischen Regionen Europas erreichen könnte. Dabei denkt Pujol nicht primär an den Separatismus Kataloniens oder des Baskenlandes, sondern auch an die Eigenständigkeit von Bayern, Rheinland-Pfalz oder Ligurien. Was aber mit den Nationalstaaten geschehen soll, darauf konnte oder wollte er keine Antwort geben. Übrigens sprach und argumentierte er die ganze Veranstaltung über in recht passablem Deutsch, das er in seiner Schulzeit gelernt hat.

Loyal zu Spanien, dennoch ein Referendum in Katalonien

Im Anschluss auf einen weiteren Vortrag des finnischen Sozialwissenschaftlers Dr. Vera zum Thema Populistische Parteien in Finnland – die Wahren Finnen, nahmen zusätzlich zu Jordi Pujol auch Kurt Beck und Dr. Vera an der Podiumsdiskussion teil. Das Gespräch führte die diplomatische Korrespondentin der Zeitung "DIE WELT", Hildegard Stausberg. Während Pujol zum einen  Bezug nahm auf den Grundcharakter der Loyalität seiner selbst und aller katalanischen Regierungen gegenüber dem demokratischen Staat Spanien, so sehr pochte er auf das im November in Katalonien vorgesehene Referendum zur Unabhängigkeit der Autonomen Region im Nordosten Spaniens. Auf Nachfrage der Moderatorin und auch des ehemaligen Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, wie der eigentliche Grund des Separatismus in Katalonien zu verstehen sei, kam Pujol argumentativ ins Straucheln.

Katalonien ist eine Kulturnation, keine Ethnie

Pujol bestand zunächst darauf zu achten, dass Kataloniens Unabhängigkeitsstreben sich immer friedlich durch Politik und Demonstrationen ausgedrückt hat. Katalonien versteht er mehr im Sinne einer Kulturnation und eben nicht einer klar definierten Ethnie zugehörig, da circa die Hälfte der Bevölkerung ja Nachfahren von meist spanischen Einwanderern sei. Außerdem wies er auf die ungelöste Problematik von Wirtschaft und Kultur im Mittelmeerraum hin. Auf die Frage, was für Katalonien kulturell, sozial und wirtschaftlich bei einer hypothetischen Souveränität besser wird, drückte er sich um eine konkrete Antwort.

Kurt Beck warnt vor einem zersplitterten Europa

Von außen betrachtet eine Reaktion Pujols, die man vielleicht biographisch verstehen kann. Nicht nur, weil er die gewalttätigen Mechanismen der Franco-Diktatur in sechsjähriger Haft und durch Folter am eigenen Leib zu spüren bekommen hat. Ebenfalls unumstritten ist seine Rolle nach Francos Tod während der transición genannten Übergangszeit zur Demokratie in Spanien und der über 20 Jahre andauernden Tätigkeit als Regierungschef von Katalonien. Aber der über sechs Jahrzehnte andauernde Einsatz für die Sache seines Heimatlandes, lassen neue Perspektiven vielleicht kaum zu. Deshalb wollte und konnte Kurt Beck die Diskussion nicht ohne einen wichtigen Aspekt beenden. In der momentanen schwierigen Situation Europas kann er der Abgabe von mehr Rechten an Regionen einen politischen Sinn abgewinnen. Aber zunächst müsse Europa  lernen, sich am eigenen Schopfe aus der momentanen Krise zu holen, bevor es in mehreren Splitter auseinanderdriftet.

 

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