Galicien: Aus für Stadt der Kultur

Die Baukrise in Spanien hat ein neues Symbol: Nach leerstehenden Satellitenstädten, unbefahrenen Autobahnabschnitten und einem riesigen, stillgelegten Flughafen in der Extremadura nun das Prestigeprojekt Ciudad de la Cultura. Das Kulturzentrum des US-Stararchitekten Peter Eisenman in Galicien steht entgültig vor dem Aus.

von Tobias Büscher (Text & Bilder)

Zehn Jahre nach der geplanten Einweihung der Stadt der Kultur in Santiago ist das Ende des Bauprojekts beschlossene Sache. Galiciens Regierungschef Alberto Núñez Feijóo hat gestern den Baustopp angekündigt, berichtet La Voz de Galicia. Bislang hat der Glitzerbau vor den Toren der Pilgermetropole bereits 300 Millionen Euro verschlungen und die Galicier fragten sich die ganze Zeit, wie teuer eigentlich Angeberei sein darf.

Gigantismus auf dem Grundriss einer Jakobsmuschel  

Wofür die 300 Millionen? Gebaut sind bereits ein galicisches Archiv, eine 26 000 qm große Bibliothek, ein Kulturzentrum, ein galicisches Museum und die Türme John Hejduk. Die geschwungenen Baukörper und fließenden Formen sollten inspiriert sein vom Grundriss der Altstadt Santiagos und der Form der Jakobsmuschel.

Die Granitarkaden der Metropole spiegeln sich im Innern der Kulturstadt als strahlend weiße Säulen wieder. Und über all dem wächst bereits das Unkraut. Der Glitzerbau nahe der Autobahn vor der Pilgerstadt droht zu vermoosen.

Nicht noch weitere 170 Millionen!

Dem Rotstift zum Opfer gefallen sind nach dem Parlamentsbeschluss die Bühne Teatro de la Ópera und das Internationale Kunstzentrum Centro de Arte Internacional. Sowohl die Regierungspartei Partido Popular als auch die oppositionelle BNG hatten sich für diesen Schritt eingesetzt. Galicien hat derzeit wahrlich andere Sorgen als noch weitere 170 Millionen Euro für die Kulturstadt aufzubringen.

Die Arbeitslosigkeit liegt bei über 20 Prozent. Nachdem der sogenannte Plan Gaiás (benannt nach dem Bauort) nun vom Tisch ist, will die galicische Regierung als Schadensbegrenzung wenigstens die Baufirmen entschädigen. Die Rede ist von 18 Millionen Euro.

Größenwahn vor der Baukrise

Wie konnte dieses Missmanagment nur passieren? Ganz einfach: Der Bau der Kulturstadt war ein Traum der Galicier in den 1990er Jahren. Damals regierte der dienstälteste Politiker Manuel Fraga die Region. Er sah neidvoll herüber zu Valencias Stadt der Wissenschaften und Bilbaos Guggenheim-Museum und entschied: sein hinterletzter Winkel in Nordwestspanien braucht auch Gigantisches.

Die Form war dem einstigen Minister unter Diktator Franco dabei wichtiger als der Inhalt. Funktionalität stand nicht zur Debatte. Denn gute Theater, Museen und Kulturzentren gab es in Santiago längst. Der amerikanische Architekt Peter Eisenman gewann den Wettbewerb für die Ciudad de la Cultura im Jahr 1999 und plante die Einweihung für das Jahr 2003.

Die Welt kannte ihn schon als Erbauer des Holocaust-Mahnmals in Berlin, nun wollte er noch einen draufsetzen. Grünes Licht dafür hatte er. Und die Galegos legten wert auf den Namen in galicischer Sprache: Cidade da Cultura.

Der Leidensweg des Antonio Maroño Cal

Galiciens 700 000 Quadratmeter große Anlage auf dem Monte Gaiás sollte über die Jahre hinweg vor allem aber einen inspirieren: Antonio Maroño Cal, den technischen Architekten des Bauprojekts. Ohne ihn ging gar nichts, doch schon gar nicht ohne Geld.

Schon im September 2010 erklärte er gegenüber diesem Portal, er fühle sich wie ein Hausbauer zwischen Scheidung und Hochzeit. Das Projekt wolle kaum noch jemand finanzieren und ziehe sich hin wie eine mittelalterliche Kirche, die erst Jahrhunderte später ihre Fassade bekommt.

Doch eines ist nun sicher. Selbst aus der Fassade wird nichts mehr. Ein Trost für den Mann: Erst vor wenigen Tagen hat ihn die Architektenkammer Galiciens zum Vorsitzenden gewählt.

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