Der Codex und der Dekan

In Santiagos Kathederale ist das mittelalterliche Buch Codex Calixtinus gestohlen worden. Im Zentrum der Kritik steht Dekan José María Diaz. Ein Greis, der schon früher auf sich aufmerksam gemacht hat. Mit sinnfreien Aktionen.

ein Kommentar von Tobias Büscher

Er ist alt, knöchern, alles andere als ein modernes Gesicht der Kirche. Wer wie ich schon die Chance hatte, mit ihm zu reden, der weiß: José Maria Diaz wirkt etwa so wie Cesar in den Asterixheften, wenn er jemanden mit ausgestrecktem Finger zurechtweist.

Damals ließ er die Journalistenbrut wissen: so, jetzt machen wir ein Gitter um die Säule Jesse am Pórtico de la Gloria. Und um den Kopf des Meister Mateo gleich dazu. Was das heißt?

Beides sind wichtige Stellen am romanischen Eingangstor hinter der Hauptfassade der Kathedrale von Santiago de Compostela.

Über Jahrhunderte hatten Pilger ihre Hand auf die Säule gelegt, der Abdruck ist deutlich sichtbar. Und am steineren Kopf des Architekten Mateo auf der Rückseite haben sie leicht ihren Kopf angelehnt, damit etwas von seiner Genialität übertragen werde. S

olch sinnliche Erfahrungen ließ der Dekan mit einem kalten Eisengitter unterbinden. Keine Diskussion. Damals zu mir wörtlich: "die Konstruktion ist kein Disneyland, wenn sie alle ständig anfassen, nimmt sie Schaden".

Schaden hat der Pilgerbrauch natürlich nie verursacht, er war dem Dekan einfach nur zu heidnisch.

Gitter und herumliegende Schlüssel

Eine Wurzel und ein Kopf also hinter Gittern, der Codex dafür so lasch geschützt, dass er jetzt geklaut worden ist. Offenbar lag der Schlüssel zum Tresor einfach herum, denn es gibt keine Spuren von Gewalt. Nur zum Verständnis:

Der Codex ist zwar nur 30 mal 21 Zentimeter groß und 225 Blätter dick, doch schon 1990 auf einen Wert von 6 Millionen Euro geschätzt worden. Vom kulturellen Wert ganz zu schweigen. Abtreten, Herr Dekan, das ist jetzt wirklich überfällig!