Seat 600: Spaniens Mythos
Corona hat den Spaniern weitgehend die Mobilität genommen. Ende der 50er Jahre war das anders, als eine Kugel mit vier Rädern auf den Markt kam. Fünfköpfige Familien zwängten sich in die winzigen Kiste und bretterten mit 70 kmh Richtung Costa del Sol. Der Seat 600 brachte das Land in Bewegung wie bei uns der Käfer. Die Erinnerung daran tut in Zeiten der Pandemie fast schon weh.
Von Tobias Büscher
1957 rollte in Spanien der erste Seat 600 vom Band. Der 3,3 Meter lange Wagen fuhr mit bis zu 95 Sachen über die Landstraße. Er hatte in der Originalversion einen 4-Zylinder-Reihenmotor, 21 PS, kostete umgerechnet 360 Euro und war der Bestseller seiner Zeit. 3 von 1000 Spaniern kauften ihn schon im ersten Jahr und nannten ihn liebevoll Bällchen (pelotilla).
Als erster meldete das Modell ein Mann aus Madrid beim Straßenverkehrsamt an und bekam das Kennzeichen M-184.018. Frauen durften damals selbst noch kein Auto kaufen. Diktator Franco fand das unanständig.
Generation 600
Den Seat 600, ein Nachbau des Fiat 600, den es auch als Zweisitzer mit hinterer Ladefläche als Seat 600 Furgoneta Comercial gab, war das Symbol des spanischen Wirtschaftswunders. Er machte das ganze Land mobil. Das Werk in Barcelona verkaufte über 800.000 Wagen an eine Generation, die sich die „600er“ nannte. Später bauten Polen, Finnen und Argentinier das Auto noch einige Jahre weiter.
Übrigens: Der erste Seat war 580 Kilo schwer. Das ist für ein Auto zwar federleicht, entspricht aber dem Gewicht eines ausgewachsenen Kampfstiers. Der Tesla bringt es auf zwei Tonnen. Der letzte Seat 600 lief 1973 vom Band. Gebraucht gibt es ihn aber noch, beispielsweise bei ebay ab rund 5000 Euro. Wer einen gut restaurierten Seat möchte, zahlt aber weit mehr. Vorteil dabei: Sollte er mal brennen, löscht ihn die Feuerwehr. Beim Tesla geht das nicht, der würde explodieren. Und kostet ab rund 50.000 Euro.
Netflix blamiert sich mit Seat-Zitat
Auch Spaniens Starserie „Haus des Geldes“ (Casa de Papel) zitierte unlängst den Seat 600 in einem Dialog: „Behandel mich wie einen Maserati, nicht wie einen Seat 600“. Der Shitstorm in den Sozialen Netzwerken ließ nicht auf sich warten. Auch SEAT reagierte dünnheutig und brachte das Gegen-Zitat: „Behandel Dich selbst wie einen Seat 600, und Du bleibst die nächsten 50 Jahre jung.“