Undertourism: Spanien droht die Pleitewelle

Bei uns ist die Lage der Gastronomen und Hoteliers schwierig. In Spanien sieht es bei den Kollegen aber noch dramatischer aus. Das hat Folgen für die Wirtschaft, für den Tourismus und für die Buchverlage.

Von Tobias Büscher

Es gab mal das Wort Overtourism. Den Anwohnern grauste es vor grölenden Teutonen auf den Ramblas, auf der Gran Vía, am Strand von Palma. Es gab auch mal das Wort Balconing. Es bezeichnete den Sprung eines Touristen vom Balkon in den Pool. Im Todesfall machte das Schlagzeilen. Noch im letzten Jahr war das so. Doch die fiese Fratze des Massentourismus ist Geschichte. Die Gelbfußmöwen haben die Strände wieder für sich. Volamos a la Playa.

Zwei Monate lang hat Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez wegen Corona den Alarmzustand im Land verhängt. Grenzen dicht, Hotelanlagen geschlossen, Flanierverbot, Abstandsregeln. Es gibt, wie die Süddeutsche titelte, eine Fürchterliche Stille

Seit Montag dem 11. Mai sind die Restaurants und Cafés in vielen Teilen des Landes wieder berechtigt, auf den Terrassen zu servieren. Das ist Teil der sogenannten Phase 1. Eine Woche später dürfen limitiert auch wieder Gäste in die Tavernen. In Galicien ist das so, im Baskenland auch, nicht aber in Teilen Kastiliens und in ganz Katalonien, wo die Ansteckungsgefahr zu hoch ist. Vor allem in Barcelona und Madrid bleibt vorerst alles dicht. 

Hotels am Limit

Während also einige Restaurants nun wieder öffnen, ist die Lage für die Hoteliers noch schlimmer. Denn sie sind noch viel mehr vom Tourismus abhängig. Und der ist auf Null heruntergefahren. Selbst wenn die Grenzen wieder offen sind, selbst wenn das Reisen in Spanien wieder erlaubt ist: Viele Hoteliers, schätzt beispielsweise mein Kollege Cristobál Ramírez von der Voz de Galicia, sind dann längst insolvent. Wahrscheinlich, sagt er, müssen in seiner Region noch in diesem Jahr die Hälfte aller Landgasthäuser und kleinen Pensionen schließen.

Reisebücher gnadenlos veraltet

Die Lage betrifft natürlich auch die vielen Reisebücher zu Spanien, die noch im letzten Jahr recherchiert worden sind und nun auf den Markt sollten. Als Printbücher, denn von Online haben die Verlage hier so viel Ahnung wie Grundschulen vom Onlineuntericht.
Meine Kollegen und ich, die unter anderem bei DuMont, Reise-Know-How und Michael Müller gerade Bücher bis zur Druckreife fertig hatten, sehen für den Verkauf längst schwarz.

Ein Beispiel dafür ist mein eigenes Buch „Galicien & Jakobsweg“, das in erster Auflage bei DuMont zunächst im Juni 2020 erscheinen sollte. Schön, mein Report über einen Exorzisten, prima das Thema Wildpferde. Aber die meisten meiner Tipps zu kleinen Restaurants und Hotels stimmen schon jetzt nicht mehr, weil die Betreiber pleite sind. Und das Geld für die monatelange Recherche sehen wir auch nicht wieder. Die Verlage zahlen bestenfalls Vorschüsse, die sie sich nachher beim Abkauf wieder zurückholen. 

Dennoch ist das Jammern auf hohem Niveau. Denn selbständige Unternehmer in Spanien bekommen anders als bei uns kaum einen Cent Unterstützung. So etwas wie Coronahilfe gibt es für sie nur marginal. Von 9000 Euro oder je nach Anzahl der Angestellten noch viel mehr, wie NRW das veranlasst hat, kann ein Cafébetreiber in Spanien nur träumen.

Als ich in Galicien noch im August jeden Morgen das Lieblingscafé von Manuel Jacome in Lalín aufgesucht habe, haben wir uns angefreundet. Der Familienvater steht jetzt mit dem Rücken an der Wand. Er hat keine Rücklagen. Und als ich den Bürgermeister zu einem Spendenaufruf in Deutschland für Selbständige wie Manuel animieren wollte, auch um Werbung für seine kleine Stadt zu machen, kam die Antwort: „Tobias, wir haben gerade zu viel zu tun. Wegen Corona.“

Klar, der Café con Leche auf der Terrasse geht ja wieder.
 

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