Spaniens neue Parteienlandschaft
Nach der Wahl in Spanien ist die politische Parteienlandschaft so vielfältig wie noch nie in der demokratischen Zeit nach Franco. Die neuen Parteien Ciudadanos und Podemos haben das Zweiparteiensystem aus Konservativen und Sozialdemokraten aufgehoben und eine junge Generation an die Macht gebracht. Rechte Ideen wie derzeit in Frankreich und Polen schwingen sie nicht. Die jungen Wilden sind Linke und Liberale, rhetorisch geschult und in vielen Regionen und Städten des Landes bereits politisch aktiv.
von Tobias Büscher
Spanien ist seit 30 Jahren eine parlamentarische Monarchie. Und in dieser Zeit haben sich vor allem die konservative Volkspartei Partido Popular (PP) und die sozialdemokratische Arbeiterpartei PSOE als Regierungsparteien abgelöst. So berühmte Politiker wie Felipe González (1982-1996, PSOE) und José María Aznar (1996-2004, PP) setzten den beiden politischen Lagern ihren Stempel auf. Und ihre Nachfolger waren ebenfalls aus der Post-Franco Generation. Kommunisten, vor allem aber Liberale und Umweltschützer haben anders als in Frankreich oder Deutschland nie eine Chance gehabt. Das machte das Regieren in Madrid zwar leicht, doch die Politik auch zusehends korrupter. Zu korrupt für viele der 36,5 Millionen Wahlberechtigten in Spanien, die nun im Parlament statt zwei dominanten Parteien vier auftreten lassen.
Die Parole: Schluss mit dem Sumpf
El Fango (der Sumpf) und El Caso Gürtel (Die Gürtel-Affäre) sind die beiden wohl berühmtesten Begriffe rund um Schmiergeldaffären innerhalb der beiden Parteien PP und PSOE in den letzten Jahren. Und keiner personifiziert die Korruption im Land so eindrucksvoll wie Rodrigo Rato, einst Minister für Wirtschaft und Finanzen unter Präsident Rajoy und Chef des inzwischen verstaatlichten Finanzinstituts Bankia. Am 16. April 2015 führte ihn die Polizei in Handschellen vor seinem Haus in Salamanca ab. Vorwurf seither: Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Verschleierung in zahlreichen Fällen.
Kein Rechtsruck wie in Polen und Frankreich
Die PSOE und die PP haben noch genug Anhänger. Doch die beiden neuen Parteien agieren nun nach der Wahl auf Augenhöhe. Sie vertreten die junge Generation der 20 bis 40-Jährigen. Und verändern die Macht in Madrid so grundlegend wie nachhaltig. Besonders wichtig: Keine von ihnen suhlt im rechten Sumpf des Landes, einst Jahrzehnte regiert von Diktator Franco. Und keine der beiden schwingt rechte Parolen, wie das derzeit in Frankreich und Polen sehr populär ist.
Die neuen Gesichter der spanischen Politik
Albert Rivera von der wirtschaftsliberalen Partei Ciudadanos ist Jahrgang 1979 und seine Partei gibt es erst seit 2006. Der eher emotionale Pablo Iglesias mit dem Pferdeschwanz von der linken Podemos ist Jahrgang 1978 und seine Bewegung erst seit 2014 offiziell eine Partei. Als junge Politiker sind sie noch relativ frei von Korruptionsskandalen und Vetternwirtschaft. Und das zieht.
Schon bei den Regionalwahlen in diesem Jahr waren sie erfolgreich. Nun sind sie feste Größen in der Parteienlandschaft. Entsprechend geht das Datum als 20 D (20 de Diciembre) in die jüngste politische Geschichte des Landes ein. Auch dank der 1,5 Millionen junger Spanier, die das erste mal überhaupt wählen gegangen sind. Jeder zweite von ihnen hat keinen Job, die Jugendarbeitslosigkeit ist mit 50 Prozent die höchste in Europa.
Adiós Alleinherrschaft
Das neu gewählte Parlament in Madrid ist also so bunt wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Und die Zeiten sind vorbei, in denen politische Urgesteine in absoluter Mehrheit regierten, wie das zuletzt sogar der charismafreie Mariano Rajoy (60) von der Volkspartei (PP) gelang, trotz Wirtschaftskrise und Jugendarbeitslosigkeit. Der muss sich jetzt einen Koalitionspartner suchen, der vorher noch gar nicht im Parlament in Madrid vertreten war.