Kritik an Spaniens alten Gesetzen

Zwei alte Gesetze sorgen in Spanien derzeit für erhitzte Gemüter. Nach Wortgefechten im Madrider Parlament ist vor allem das Amnestiegesetz aus dem Jahr 1977 Thema. Es untersagt das juristische Verfolgen von Verbrechen während des Bürgerkriegs und des Francoregimes.

Eine der vier Parteien in Spaniens Parlament, Podemos, will dieses umstrittene Amnestiegesetz reformieren. Doch die drei weiteren großen spanischen Parteien PSOE, Ciudadanos und die Regierungspartei PP von Rajoy sperren sich.

Und das über 40 Jahre nach der Einführung. Umstritten ist auch ein Gesetz aus den 60er Jahren, noch aus Zeiten von Diktator Franco. Und das nervt vor allem Historiker.

Zwischen Lorca und Landflucht

Denn diese fragen sich bis heute beispielsweise: Wie waren eigentlich die genauen Umstände, als Faschisten den berühmten Dichter Federico García Lorca (Bluthochzeit) im Bürgerkrieg hinrichteten? Dazugehörige Dokumente dürfen Spaniens Historiker nicht einsehen.

Staatsgeheimnis seit 1968. Das Gesetz dazu hat nie jemand geändert, und El País schrieb Mitte März 2018: Ein Skandal, denn Spaniens Historiker müssen im Ausland nach Quellen zur Francozeit suchen. Und die sind natürlich rar.

Täter schützen, Verfassung stützen

Dabei ist das oben angesprochene Amnestiegesetz von 1977, Ley de Amnestía, noch viel drastischer. Zwei Jahre nach Francos Tod trat es in Kraft, mitten in der Übergangszeit von der Diktatur zur Demokratie (Transición).

Die Argumente für den Erhalt: Das Gesetz sei ein Stützpfeiler für die Demokratie gewesen.

Nachvollziehbar ist das schon. Denn ohne dieses Gesetz hätten sich die Anhänger der Kommunisten und Faschisten reihenweise gegenseitig angezeigt.

Und die Verfassung wäre wohl niemals so schnell umgesetzt worden, was 1978 dann aber gelang.

Andererseits haben schon Untersuchungsrichter wie Baltasar Garzón ihre Karriere beenden müssen, weil sie beispielsweise ein Massengrab linker Partisanen aus dem Bürgerkrieg untersuchen lassen wollten. Was illegal war.

Die Initiative kommt viel zu spät

Podemos, die Partei von Pablo Iglesias mit dem Pferdeschwanz, hat auch deshalb vorgeschlagen, dieses Gesetz endlich zu ändern. Doch kommt die Initiative extrem spät.

Und die Enkel der damaligen Akteure haben heute ganz andere Sorgen. Allein im letzten Jahr haben über 75.000 Bewohner mit spanischem Pass das Land verlassen, obwohl sich die Wirtschaftslage langsam erholt.

Die Minderheitsregierung in Madrid tut sich schwer und hat noch nicht einmal den Haushalt für 2018 verabschieden können. Da tritt das Aufarbeiten des Bürgerkriegs und der Diktatur in den Hintergrund.

Und sogar der Tod eines der berühmtesten Poeten im Landes, García Lorca. Er starb 1936. Vor über 80 Jahren. (tb)