Konservative bleiben führend in Spanien
13 von 17 Regionen haben in Spanien am Sonntag ihre Parlamente neu bestimmt. In 8000 Gemeinden haben die Spanier 2955 Bürgermeister und 67.640 Stadträte gewählt. Herausgekommen ist dabei keineswegs die erwartete Ohrfeige für die Regierungspartei Partido Popular von Rajoy. Allerdings hat seine Partei die Mehrheit vielerorts verloren.
von Tobias Büscher
Die Regional- und Kommunalwahlen in Spanien haben die Politik in Spanien grundlegend verändert. Jahrzehntelang duellierten sich die Volkspartei Partido Popular (PP) und die Sozialisten der PSOE.
Nun gibt es durch die Erfolge der neuen Protestparteien Podemos und Ciudadanos auf lange Sicht hin vier Parteien fast auf Augenhöhe. Und aller Voraussicht nach ist dies auch nach den Landeswahlen Ende des Jahres so.
Madrid rückt nach links, Überraschung in Barcelona
Fast überall im Land mischen inzwischen die beiden neuen Parteien Ciudadanos und Podemos mit. Besonders auffällig ist das in der Hauptstadt.
Dort wird die Kandidatin Carmena von Ahora Madrid mit Hilfe der Ciudadanos Bürgermeisterin werden können. Und das, obwohl die Kandidatin Esperanza Aguirre knapp die meisten Stimmen bekommen hat. In Barcelona wiederum hat die Politikerin Ada Colau vom neuen, Podemos nahestehenden Bündnis "Barcelona En Comú" die meisten Stimmen.
Sie wird wohl Bürgermeisterin der katalanischen Metropole. Barcelona und Madrid, die größten Städte ohne einen Bürgermeister von PP oder PSOE?
Vor vier Jahren wäre dies noch undenkbar gewesen. In vielen der 13 Regionen verliert die PP an Stimmen, bleibt aber stärkste Kraft. Nun muss sie sich neue Koalitionspartner suchen, etwa in Kastilien La Mancha, auf Mallorca und in Valencia.
In der Extremadura, Stammland der Linken, hat die Arbeiterpartei PSOE nun wieder die Oberhand, und kann mit Podemos regieren. Auch in Asturien punktet die Linke und wird eine Regionalregierung stellen können. Dort übrigens haben die Kommunisten 12 Prozent der Stimmen geholt. Überall sonst ging die Izquierda Unida gnadenlos unter.
Im Vergleich zu 2011 steht also fest: Die Regionalparlamente haben nun vier Parteien, die Konservativen blieben aber trotz anderer Prognosen führende Kraft.
Historische Niederlage im Hinterland
Besonders symbolisch für die sinkende Wählergunst für die Konservativen ist der Verlust der absoluten Mehrheit in Lalín. In dieser galicischen Kleinstadt hat Bürgermeister José Crespo seit 25 Jahren die Oberhand.
Und auch diesmal reicht es wohl fürs Regieren. Doch die Koalition Compromiso pro Lalín hat tatsächlich sechs Sitze geholt. Crespo wird daher mit 10 von 21 Sitzen zwar weiter und diesmal in Koalition über die 20 000 Bewohner wachen.
Doch seine absolute Macht im Hinterland war für die Konservativen im ganzen Land bisher immer ein Ansporn und Symbol. Damit ist es nun vorbei.
Wut über Arbeitslosigkeit und Korruption
Der Erfolg von Ciudadanos und Podemos liegt weniger an ihrer Eigenleistung, sondern an der Wut der Spanier aller Generationen. In Scharen sind vor allem junge Spanier zur Wahl gegangen.
Die Beiteiligung lag allerdings nur bei knapp 50 Prozent. Von den 35 Millionen Spaniern durften 1,5 Millionen mit knapp über 18 Jahren erstmals in ihrem Leben wählen. Abgestraft haben sie alle die verstaubten Verhältnisse der großen Parteien PP und PSOE, die zusammen 12 Prozent im Vergleich zu 2011 verloren haben.
Es stimmt schon: Nach Francos Tod 1975 haben die alteingesessenen Partidos während der Transición und nach der neuen Verfassung 1978 die Geschicke im Land entscheidend mitbestimmt. Damals noch mit den relativ starken Kommunisten im Parlament.
Die Konservativen hatten einst große Vorsitzende wie Manuel Fraga vom Schlag eines Franz Josef Strauß, die Linken den charismatischen Felipe González und Freund von Willy Brandt. Doch das ist längst Geschichte. Heute glänzen die blassen Figuren aus den Politikakademien mit Korruptionsskandalen, Fantasielosigkeit und Missmanagment.
Und das nicht erst seit der Immobilienkrise und der immensen Verschuldung im Land. Auch wenn sich durch die Sparpolitik von Regierungschef Rajoy die Wirtschaft langsam erholt und das Wirtschaftswachstum aktuell bei knapp 3 Prozent liegt:
Noch immer ist die Arbeitslosigkeit dramatisch. Sie liegt bei über 23 Prozent. Damit sind 5,4 Millionen ohne Arbeit.
Podemos mit Pferdeschwanz, Ciudadanos mit Krawatte
Beachtlich ist der Erfolg der neuen Parteien. Während Grüne und Kommunisten in Spanien auch diesmal bei der Wahl untergegangen sind, ist die junge, linke Protestpartei Podemos (Wir Können, gegründet 2014) nun voll im Rennen.
Der charismatische Vorsitzende und Madrider Politik-Professor Pablo Iglesias (*1978 in Madrid) hat auf linke Thesen gesetzt. Sein Kontrahent Albert Rivera (*1979 in Barcelona) von den Ciudadanos (Bürgerlichen, gegründet 2006) fordert als gelernter Jurist und ehemaliger Wettkampfschwimmer dagegen eine moderate Wirtschaftspolitik.
Beide sind Mitte 30 und damit deutlich jünger als die Leitwölfe von PP und PSOE. Und damit das auch jeder merkt, hat sich Podemos-Chef Iglesias am Samstag vor der Wahl noch beim Kicken mit Kumpeln filmen lassen. Tolles Tor übrigens von ihm. So gestellt wie frühere Regatta-Siege von König Juan Carlos.
Iglesias ist der Schwarm vor allem der Studenten im Land. Rivera dagegen ein Politiker, der den zutiefst politikverdrossenen Mittelstand mit moderaten Thesen überzeugt.
Rivera trägt Anzug, weißes Hemd mit Krawatte und einen kurzen Haarschnitt. Iglesias trägt Rolli, Ohrring links und Pferdeschwanz. An diese beiden Gesichter kommen die Nachrichtenagenturen so schnell nicht mehr vorbei ...
PP regiert bis zur Landeswahl
Auch wenn die Regional- und Kommunalwahlen ein Stimmungsbarometer für die anstehenden Landeswahlen im Dezember 2015 sind: Noch hat die Partido Popular die absolute Mehrheit im Parlament (Cortes Generales).
Es besteht aus dem gesetzgebenden Abgeordnetenhaus Congreso de Diputados und dem Senat (Senado), in dem die 17 Regionen Spaniens vertreten sind. Nach der Wahl am Sonntag schon bald auch mit Vertretern von Podemos und Ciudadanos.
Spanien ist eine parlamentarische Monarchie mit König Felipe an der Spitze. Und der hat mehr Macht als der deutsche Bundespräsident: Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte.
Außerdem ernennt und entlässt er Regierungschefs, was der seit 2014 regierende König bald wohl erstmals tun wird. Denn nach der jetzigen Wahl ist die Zukunft von Rajoy mehr als ungewiss.
Literatur-Tipp
Muschelmord, Tod auf dem Jakobsweg. Der Krimi. Ein Polizist ermittelt undercover im Pilgermilieu: