Guardia Civil in Zeiten von Corona

Ein Kollege wurde vor wenigen Stunden auf offener Landstraße überfahren, als er eine Kontrolle wegen Corona-Virus vornahm. Schutzkleidung wie Gesichtsmasken und Handschuhe? Mangelware. Einige sind bereits infiziert. Ein Guardia Civil packt aus, unter welchen Bedingungen diese spanischen Polizisten gerade arbeiten. 

Von Tobias Büscher

Die Arbeitswelt von Miguel Suárez (Name von der Redaktion geändert) steht auf dem Kopf. Eigentlich ist der Polizist von der Guardia Civil für den Schutz der Umwelt zuständig und bildet seine Kollegen im Schießen, Verhaften und im Fahren von Geländemotorrädern aus. Doch durch die Epidemie ist alles anders. 

Wie geht es Dir und Deiner Familie?

Miguel: Danke, derzeit geht es uns allen gut.

Es gibt 80.000 Mitglieder der Guardia Civil. Reicht das?

Für die Größe der Bevölkerung sind wir genug Polizisten. Doch im Unterschied zu Deutschland sind wir hier komplizierter organisiert. Die Polizei in Spanien besteht aus verschiedenen Polizeikörpern, darunter Guardia Civil, Cuerpo Nacional de Policía und Policía Local. Zwischen denen ist der Austausch schwierig, die Koordination bei der Ausbildung mangelhaft. Zudem ist die Guardia Civil anders als die Zivilpolizei militärisch organisiert. Dadurch haben wir weniger Freizeit, mehr Arbeit und ein geringeres Einkommen.

Habt ihr genug Mundschutz und Hygiene-Handschuhe?

Überhaupt nicht. Auch ist bei uns anders als bei anderen Polizisten die Ansteckungsgefahr höher, weil wir als Militäreinheit ständig in unterschiedlichen Teams ausrücken. Was die Hygiene angeht, haben es übrigens auch meine Kollegen in den Gefängnissen extrem schwer, weil dort Schutzkleidung fehlt. Unter uns, ich bin auch ganz froh, in einer kleinen Stadt am Mittelmeer zu leben. In Madrid ist die Lage beispielsweise viel gefährlicher.

Gibt es Hamsterkäufe wie bei uns?

In den ersten Tagen ja. Inzwischen kommen nur noch wenige in die Supermärkte. Auch wegen der Ausgangssperre. Was die Nahrungssituation angeht, ist es ganz ok. Wenn eine Reissorte mal ausverkauft ist, gibt es ja noch anderen Reis. Es ist genug da.

Unter anderem Dein Kollege Francisco Javier (38) starb vor kurzem an Corona

Es stimmt. Einige sind gestorben, viele sind infiziert, so auch einer der Chefs der Guardia Civil. Der Familie von Francisco sage ich: Wir alle fühlen aus tiefsten Herzen mit ihnen. Wir von der Guardia Civil halten zusammen. Vor wenigen Stunden ist übrigens ein Kollege von mir an einer Landstraße überfahren worden und gestorben. Er war gerade bei der Durchführung der Kontrollen wegen dem Coronavirus im Einsatz.

In Deutschland hat es Corona-Partys gegeben. Bei euch auch?

Ausgerechnet bei Euch! Nein, so etwas ist bei uns nicht passiert. Wir müssen alle solche Arten von Zusammentreffen dringend unterbinden.

Was war Dein dramatischstes Erlebnis jenseits von Corona?

In den ersten Tagen als Guardia Civil musste ich einmal mit aller Kraft einen kleinen Jungen aus dem Wasser bergen, der sich den Wirbel gebrochen hatte. Dazu kommen einige Bergungen bei schlimmen Verkehrsunfällen. Vor einiger Zeit musste ich ein weiteres Kind vor dem Ertrinken in Valencia retten, was knapp war. So etwas nimmt einen ganz schön mit.

"Verdienstorden interessieren mich nicht"

Wie lebt Deine Familie in dieser Situation zuhause?

Wir passen extrem auf, halten streng die Regeln ein, waschen uns die Hände, sind nur kurz draußen, wenn es gar nicht anders geht und leben so vorsichtig wie nie zuvor. Ich bin Vater einer zweijährigen Tochter und wir vermeiden jeglichen Kontakt, auch zu Familienangehörigen.

Kommst Du zur Ruhe derzeit?

Auf der Arbeit haben wir grundsätzlich zwei Tage in der Woche frei. Aber jetzt sind wir ständig in Alarmbereitschaft. Wir von der Guardia Civil bekommen so gut wie gar nicht den Kopf frei. Die Probleme kann ich vor der Haustür nicht ablegen. Aber nach 26 Jahren in diesem Job bin ich daran gewöhnt.

Das Virus hat alles verändert?

Als Guardia Civil bin ich spezialisiert auf den Schutz der Umwelt. Meine Arbeit besteht darin, Firmen zu kontrollieren und alles zu untersuchen, was direkt oder indirekt der Natur schaden könnte. Gleichzeitig bin ich Ausbilder bei der Guardia Civil. Ich habe einen schwarzen Gürtel in Kampfkunst, bringe den Kollegen das Schießen bei und wie man Handschellen anlegt. Solche Sachen. Derzeit liegt all das brach. Ich bin aufgrund der neuen Situation wegen dem Virus ausschließlich, wirklich ausschließlich für den Schutz der Bevölkerung im Einsatz. 

Warum bist Du Guardia Civil geworden?

Die Armee hat mich schon als Kind fasziniert. Ich wollte schon immer diese Arbeit. Und Motorrad fahren ...

Was war Dein größter Erfolg?

Mein größter Erfolg? Den Menschen helfen. Verdienstorden interessieren mich nicht sehr.

In Deutschland haben wir keine Guardia Civil. Findest Du das eigenartig?

Nein, ich halte das amerikanische Polizeisystem und das eurige keineswegs für schlechter. Es ist sogar einfacher und besser organisiert. 

Warum habt ihr bei der Polizei so viele deutsche Schäferhunde?

Das kann ich Dir nicht genau sagen, sicher ist aber, dass unsere Hundestaffel aus verschiedenen Rassen besteht, je nach Art des Einsatzes. 

Den Kontakt zu Dir hat mir mein Kumpel Tom vermittelt. Was hat der angestellt, dass er einen Guardia Civil kennt?

Eine Straftat lag da wirklich nicht vor. Wir haben uns zufällig während einer Reise nach Guatemala kennengelernt und uns angefreundet. Meine Frau und ich haben Toms Freundin später sogar in Indien besucht. Und die beiden waren auch schon bei uns in Spanien. Weißt Du, wir wollten sie mit unserer kleinen Tochter in Köln besuchen. Der Plan bleibt, aber jetzt brauchen wir erst einmal viel Geduld. Sehr viel Geduld.

Miguel, vielen Dank für das Gespräch. Und viel Glück für Deine Familie.

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