Tapas als Weltkulturerbe?
Das spanische Kulturministerium fordert es schon seit Jahren. Und inzwischen haben die Beamten sogar eine Petition bei der UNESCO eingereicht: Tapas sollen Immaterielles Kulturgut der UNESCO sein. Doch was soll das? Unsere Currywurst wird ja auch nicht besser, wenn die UNESCO sie schützt.
von Tobias Büscher
Tanz, Theater, Musik, Feste, Kulinarisches und Handwerk sind Bestandteil des Immateriellen Kulturguts, mit dem die UNESCO jenseits von Prachtbauten und Naturwundern das Know-how der Menschen schützt.
Auch für Spanien gilt das, wo es über drei Dutzend Kulturstätten in die Liste der UNESCO geschafft haben. Darunter der Teide, der Herkules-Leuchtturm und der Doñana-Park.
Nun sollen also auch Tapas dem Schutz der UNESCO unterstehen, was bereits seit Jahren die spanische Real Academia de Gastronomia fordert, sprich die Königliche Akademie der Gastronomie.
Auch Paella und Pulpo haben die schon vorgeschlagen. Wir Deutschen haben so eine Institution nicht und sind daher in Sachen Gastronomie und UNESCO weit hinter Ländern wie Spanien, aber auch China und Frankreich.
Das Land übrigens, das sich 2010 seine gesamte Küche von der UNESCO ehren ließ. Doch davon abgesehen findet die UNESCO inzwischen auch bei uns Deutschen einiges schützenswert.
Darunter Sternesingen, Poetry Slam und Rheinischer Karneval. Irgendwann stellt sich zwangsläufig die Frage, ob so ein Titel eigentlich noch was bringt.
Ob er nicht längst so inflationär vergeben wird, dass sein Wert sinkt. Auch in Spanien, dem Land der immateriellen Schutzbräuche wie Fallas und Flamenco.
Tapas: zu lecker für einen PR-Gag
Warum die Gier nach dem Titel? Weil auch Spaniens Regierung die UNESCO nutzen möchte als Werbung für eigene Traditionen.
Anders als die USA, deren Präsident im Namen seines Landes bereits seit 2017 nicht mehr mitmacht. Vor allem das Medienecho ist nach der Aufnahme in die UNESCO-Liste sehr groß.
Als unlängst die Jakobswege nördlich des Hauptweges Camino Francés dazu kamen, standen die dortigen Lokalpolitiker Kopf.
Bei den Tapas ist das nicht anders. So schreibt in Spanien sogar La Vanguardia über den Tapa-Vorstoß aus Madrid. Obwohl die Zeitung aus Barcelona kommt und sich die Katalanen sonst kulturell noch nie so recht mit ihrem eigenen Land anfreunden konnten.
In Wahrheit sind Tapas die eigentlich simpelste kulinarische Art, die jeder hinbekommt. Das Wort kommt von tapear, also abdecken.
Vor allem in Südspanien war es Tradition, die Bier- oder Weingläser mit einer Scheibe Weißbrot vor Fliegen zu schützen.
Auf die Scheibe kam dann schon mal eine Sardelle, eine Olive oder ein Stück vom Schweineohr. Zugegeben: Die Tapakultur hat sich weiterentwickelt.
Selbst Starköche wie Paco Roncero schreiben ganze Bücher drüber. Und hat auch ein Rezept auch bei uns veröffentlicht (siehe Link).
Tapas und Tapear
Tapas sind eine Art Amuse Gueulle, wie die Franzosen sagen. Tapear dagegen ist die frühabendliche Flanierkultur im ganzen Land zwischen Bilbao und Santa Cruz de Tenerife.
Das ist es, was die Spanier vor allem anerkannt haben wollen von der UNESCO. Wohl auch deshalb gibt es landauf landein inflationär viele Kochfeste und Tapa-Wettbewerbe.
Wir haben die auch schon besucht. In Valladolid 2011 und 2012. Dabei haben wir eine Bar gesehen, dessen Besitzer eine Tapa „Obama im Weißen Haus“ nannte.
Sie bestand aus weißer Pilzcreme mit der schwarzen Tinte vom Calamar. Donald Trump, ließ der Besitzer später wissen, werde allerdings keinesfalls eine seiner Tapas mit Namen zieren.
Tapas lieben auch wir Deutschen. Vor allem Gambas, Aioli-Toasts und Tortillastücke. Doch wer wirklich einmal eine Tapatour erleben will, der muss in die Stadt León.
Dort sind die Tapa-Bars die berühmtesten im ganzen Land. Schon lange vor der PR-Maßnahme in Sachen UNESCO-Listenaufnahme. Und womit versuchen wir Deutsche es seit Jahren? Mit Brot und Bier.
Es gibt unsinnigere Titel als die der UNESCO
Doch die UNESCO steht mit ihren Anerkennungen noch ganz gut da. Andere nicht. So gibt es etwa den wuchtigen Titel "Weinhauptstadt Europas". Klingt toll, oder? Die Auszeichnung bekam 2017 die für Weißwein bekannte Stadt Cambados in Galicien. Doch hinter der Titelvergabe stand nach unseren Recherchen weder die EU noch die UNESCO. Sondern eine portugiesisch-katalanische Werbeagentur.
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