Spanien: Sarg niemals nie
Särge sind in Nordwestspanien besonders wichtig. Nicht etwa nur bei Beerdigungen, sondern auch bei Festen und ökonomischen Umsätzen. Jetzt in Coronazeiten macht ein kleiner Ort südlich von Santiago de Compostela auf sich aufmerksam. Mit einer grandiosen wirtschaftlichen Entwicklung.
von Tobias Büscher
Immer Ende Juli kommen Fotografen und Kameraleute aus aller Welt nach Santa Marta de Ribarteme. Denn dort in Südgalicien tragen die Anwohner Lebende in offenen Särgen um die Ortskirche. Grund: Sie danken dem Herrn dafür, dass die Menschen eine schwere Krankheit überwunden haben. Der Ort am Grenzfluss Miño zu Portugal wird dieses Jahr allerdings auf diesen kuriosen Brauch verzichten müssen. Wegen Covid-19.
Kaum 1000 Anwohner, 13 Sargfabriken
90 km weiter nördlich in Richtung Santiago de Compostela fällt gerade gar nichts aus, die Menschen schieben Doppelschichten. Die Ortschaft Piñor hat Ribarteme in wenigen Wochen in den Schatten gestellt. Reporter kommen jetzt hierher. Sie wollen eine der 13 Sargfabriken besichtigen, den Bürgermeister sprechen und Titel bringen wie: Das Dorf, das von den Toten lebt.
Lange ging es den Galiciern hier nicht gut. Chinesische Särge waren gefragt, die teils unter 100 Euro kosteten. Doch nun ist der Handel mit China ausgesetzt, die Nachfrage nach Särgen aus Piñor so hoch wie nie zuvor. Bürgermeister José Luis González Rodríguez von der konservativen Volkspartei freut das sehr. Und auch wenn er Chef eines kleinen Nestes ist, macht er seinen Job gerade vorzüglich. Reportern von El País und anderen erklärt er, wie ökologisch einwandfrei die Särge seien. Aus reinen Pinienholz, wo der Ort seinen Namen her hat. Ganz ohne Glas und Eisen, aus reinem Holz.
Piñor liegt in der Provinz Ourense, wo spanienweit die meisten Särge herstellt werden. Und Möbel. Doch das kleine Nest hat schon vor zehn Jahren entschieden, völlig auf Möbelschreinerei zu verzichten. Denn Särge, sagt José Luis, braucht man immer. Tische nicht so oft.
Luxussärge für Latinos
Fast jeder in dem Ort lebt von den Fabriken. In der Vergangenheit waren die Auftragsbücher auch schon voll, trotz der Konkurrenz aus China. Denn reiche Latinos aus Mexiko, Kolumbien und Argentinien bestellen ganz gerne mal einen Sarg aus dem Land ihrer Vorfahren. Millionäre zahlen Preise bis zu 25.000 Euro.
Damit die Arbeit in den Fabriken reibungslos verläuft, werden sie zweimal am Tag desinfiziert. Und die Angestellten arbeiten auf Abstand und in Schichten.
Dudelsacksound für eine 100jährige
Groß heraus kam in Piñor jetzt auch wegen einer höchst lebendigen Geschichte. Die Kollegen von der Voz de Galicia filmten eine Frau namens María López, die im örtlichen Hospital ihren 100sten Geburtstag feierte. Mit Maske und Handschuhen. Der Bürgermeister gratulierte. Und vom Balkon aus sah sie einem einsamen Dudelsackspieler zu, der auf der Straße unten Feliz Cumpleaños aufführte: Herzlichen Glückwunsch.
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