Adiós dreckige Stadtluft

Europas Städte bekommen den Verkehr kaum in den Griff. Stickige Luft allerorten, selbst radikale Dieselverbote helfen da kaum weiter. Beim Forum Smart City 2018 in Paris haben die Verkehrspolitiker nun ausgerechnet eine Kleinstadt im Hinterland Nordwestspaniens als Vorbild entdeckt: Pontevedra.

von Tobias Büscher

Was haben die Bürgermeisterinnen von Madrid und Paris gemein? Beide sind die ersten Frauen im Amt dieser Hauptstädte. Beide sind linke Politikerinnen. Beide stammen aus Spanien. Und beide haben ein großes, mehr als ehrgeiziges Ziel: Ihre Innenstädte vom Verkehr befreien. Manuela Carmena (*1944 in Madrid) leitet seit 2015 die Geschicke von Spaniens Hauptstadt. Und bekommt trotz Reformen an der Gran Vía und der neuen Freiluftzone Madrid Río den Gestank im Zentrum kaum in den Griff. Für ihre französische Kollegin Anne Hidalgo (*1959 in Cádiz) gilt das ebenfalls. Sie versucht seit 2014, den Verkehr einzudämmen. Und hat jetzt beim Städteforum eine neue Vision geschildert: Ein so verkehrsberuhigtes Zentrum wie in der Stadt Pontevedra in Galicien. Der dortige Bürgermeister reagierte sofort und lud sie ein. Dazu Anne Hidalgo: Si puedo iré, sobald ich kann, komme ich. Das Zitat ist gerade der Hit der galicischen Lokalzeitungen.

Warum Galiciens Kleinstadt ein Vorbild für den Stadtverkehr ist

Pontevedras Bürgermeister Miguel Anxo Fernández Lores ist nicht erst seit dem Forum in Paris ein bekannter Mann. Vor knapp 20 Jahren hat seine Kleinstadt in Galicien dem Verkehr den Kampf angesagt. In den kleinen Gassen rund um die Kirche Santa María war der Dieselgestank unerträglich geworden. Die gesamte Innenstadt ist deshalb nun autofrei. Und die CO²-Emissionen um 67% zurückgegangen. Davon berichtete er in Paris. Und Hidalgo nannte das Projekt "visionär".

 

Lässt sich das Modell Pontevedra übertragen?

Fraglich ist nur, wie große Städte das Projekt übernehmen sollen. Pontevedra hat gerade einmal 82.000 Einwohner und weder Straßenbahnen noch Metrostationen. Schon gar nicht leidet die Kleinstadt südlich von Santiago de Compostela unter der Last des Tourismus. Viele Besucher Madrids und Paris sind dagegen mit Leihwagen unterwegs. Und auch wenn Pontevedra Provinzhaupstadt ist, muss sie nicht mit den mobilen Arbeitnehmern klarkommen. Die häufig jobbedingt mit dem eigenen Auto ins Zentrum fahren. Auch die Bürgermeisterin Hidalgo weiß das. Dennoch will sie das System der Fußgängerzonen demnächst vor Ort kennenlernen. Und wird dabei sicher auch merken, was Pontevedra außer bester Stadtluft noch so alles bietet: Geniale Tapas, museale Adelspaläste und eine der schönsten Markthallen ganz Nordwestspaniens.