Spaniens Drache erobert die Welt

Carlos Ruiz Zafón (1964-2020) war einer der bekanntesten Autoren Spaniens. Seine Romane „Der Schatten des Windes“ und „Das Spiel des Engels“ standen monatelang auf den Bestsellerlisten. Doch wer ist der Mensch hinter den Bestsellern?

von Nicole Gozdek

Er war ein unauffälliger Mann mit schütteren, kurzen Haaren und ersten Spuren von Grau in seinem sorgfältig gepflegten Bart. Gewöhnlich trug er eine Jeans und ein einfaches Shirt, häufig in blauweiß, hin und wieder auch mal in blaugrün.

Das rundliche Gesicht strahlt Gutmütigkeit aus und die braunen Augen, die hinter der weinroten Brille hervorblitzen, sind intelligent und aufmerksam.

Auf der Straße wäre ich an ihm vorbeigegangen, ohne zu ahnen, dass mir hier ein spanischer Bestsellerautor und einer der international erfolgreichsten Autoren der letzten Jahre begegnet: Carlos Ruiz Zafón.

„Books hold no passport“

Zafón betont gerne, dass Kunst keine Nationalität habe und allen Menschen gleichermaßen gehöre. Das gelte auch für seine Romane „Der Schatten der Windes“ und „Das Spiel der Engel“, die internationale Bestseller sind und die er nicht zum spanischen Kulturgut rechnet.

Ihn selbst hat die spanische Literatur wenig beeinflusst, erklärt er. Für seine literarische Entwicklung waren die Klassiker des 19. Jahrhunderts wie Charles Dickens, Tolstoi, Balzac oder Flaubert und die Kriminalliteratur – beispielweise Raymond Chandler, George Pelecanos oder Dennis Lehane – von größerer Bedeutung, da sie ihm wesensnäher sind.

„Was man schreibt, ist das, was einem am ähnlichsten ist“, sagt Zafón.

„Ich lebe in einer Drachenhöhle“

Sich selbst vergleicht er gerne mit einem Drachen. Seine Vorliebe für die feuerspeienden Bestien reicht weit zurück. Nicht nur dass er im Jahr des Drachen geboren wurde und in seiner Kindheit in Barcelona von Drachen umgeben aufwuchs, seit Jahren sammelt er bereits Drachenfiguren.

Mittlerweile habe er über 400 Stück, die ihm nachts, wenn er für gewöhnlich schreibt, Gesellschaft leisten. Genau wie er, so sagt er, seien Drachen nicht besonders gesellige Kreaturen der Dunkelheit und keine Freunde von Edelleuten und unsteten Rittern.

Film, Werbung oder das organisierte Verbrechen

Zafóns Leidenschaft gilt dem Film. Drehbücher und Filme haben auch seinen eigenen Stil beeinflusst, Szenen seiner Romane visualisiert er gerne wie einen Film. 1994 zog er von Barcelona, der Stadt, in der er am 25. Sept. 1964 geboren wurde, in die Hauptstadt des Films, Los Angeles. Seitdem schreibt er Drehbücher und Romane und ist als Journalist für die spanischen Zeitungen El País und La Vanguardia tätig.

Über seinen früheren Beruf als Texter in einer Werbeagentur ist er hinausgewachsen: „Mit 19 habe ich geglaubt, dass es zwei Arten gibt, die Welt zu sehen und Geld zu verdienen: das organisierte Verbrechen oder die Werbung.“

Erfolg und Misserfolg

Sein erster Roman, ein Jugendbuch mit dem Titel „Der Fürst des Nebels“, erschien bereits 1993, noch vor seinem Umzug nach Los Angeles und erhielt im selben Jahr den spanischen Edebé-Preis für Jugendliteratur. Seitdem ist viel geschehen.

Drei weitere Jugendromane und der internationale Durchbruch mit seinen beiden großen Bestsellern „Der Schatten des Windes“ und „Das Spiel des Engels“, die in über 40 Sprachen übersetzt wurden, folgten.

Zwischendurch habe er Angst gehabt zu scheitern, den Sprung vom Jugendbuchautor zum anerkannten Romanautor nicht zu schaffen, gesteht er. Der Genuss des Lesers bei der Lektüre ist ihm die Hauptsache, ihre Anerkennung ist ihm wichtig. „Ein Schriftsteller vergisst nie, wann er zum ersten Mal für eine Geschichte ein paar Münzen oder ein Lächeln bekommen hat“, sagt Zafón.

Er selbst hat im zarten Alter von 8 Jahren zum ersten Mal Geld für eine Geschichte bekommen.

Damals gründete er mit Schulfreunden einen Verlag und glaubte fest daran, mit 13 berühmt zu sein. Und scheiterte. Doch 25 Jahre später kam er dann endlich, der internationale Durchbruch. Das Warten hat sich gelohnt.

Die Autorin

Nicole Gozdek hat Französische und Deutsche Literatur in Hamburg und Lyon studiert. Danach absolvierte sie ein Volontariat in der Presseabteilung eines großen deutschen Publikumsverlags. Ihre Leidenschaft für Bücher und ihre Autoren vertritt sie auch auf verschiedenen Plattformen im Web 2.0.