Spaniens Schriftsteller Juan Goytisolo im Porträt

Die Asociación de Academias de la Lengua Española hat Juan Goytisolo 2014 für den Cervantes-Preis nominiert. Seit 1976 würdigt die Jury damit die Lebenswerke herausragender spanischsprachiger Autoren. Und der 2017 verstorbene Autor hat ihn besonders verdient.

von Anne Urbschat

Kritisch wirkt der Blick aus den klaren, hellblauen Augen. Die Stirn liegt in Falten. Die Mundwinkel ziehen nach unten und die grauen Haare lichten sich deutlich. Der Spanier (* 5. Jan. 1931 in Barcelona) kleidet sich schlicht. Beige Stoffhose, grüner Pulli, braunes Jackett. Die Hände in den Hosentaschen.

Ehefrau Monique, Schildkröte Fakroun

Goytisolo stammt aus einer gutbürgerlichen Familie und durchlebt als Kind die Jahre des Spanischen Bürgerkriegs. Seine Mutter stirbt bei einem Luftangriff der Putschisten, als er sieben Jahre alt ist. Er und seine Brüder Luis und José Agustín verarbeiten dieses Ereignis später immer wieder in ihren Schriften.

Nach abgebrochenem Jurastudium und einem ersten veröffentlichten Roman wählt der junge Literat 1956 das Exil in Paris. Bei Gallimard arbeitet er als Lektor und setzt sich für die Verbreitung spanischer Literatur in Frankreich ein. Durch die Autorin und Verlegerin Monique Lange lernt er Sartre und Simone de Beauvoir, Camus, Marguerite Duras kennen. Und als moralischen Mentor den Romanautor Jean Genet. Monique heiratet er 1978. Über seine Homosexualität hatte er sie da längst informiert. Nach ihrem Tod 1996 zieht er nach Marrakesch und adoptiert drei Kinder. Auch seine Schildkröte Fakroun leistet ihm Gesellschaft.

Goytisolos Bücher waren ab 1963 in Spanien verboten

In seinen Werken setzt sich Spaniens Autor kritisch unter anderem mit dem Franco-Regime auseinander. Identitätszeichen ist der erste Band einer Trilogie, in der die Hauptfigur, ein Rückkehrer aus dem Exil, die spanische Gesellschaft der 1960er-Jahre wahrnimmt. Die Geschichte trägt deutlich autobiografische Züge. Sie erschien zunächst in Mexiko, denn die Werke Goytisolos waren von 1963 bis zum Tod Francos 1975 in Spanien verboten.

Nationalität Cervantinisch

Der "Pendler zwischen den Kulturen" (dpa) engagiert sich nicht nur vom heimischen Schreibtisch aus. Reportage-Reisen führen ihn nach Algerien, in den Nahen Osten und andere Konfliktgebiete. Seine Notizen aus Sarajevo verfasst er 1992/93 in der kriegsgebeutelten Stadt.

Und als der Arabische Frühling ausbricht, berichtet der Orientexperte aus den Revolutionsgebieten. Seine Nationalität sei Cervantinisch, sagt Goytisolo, und seine einzige Heimat die Sprache. Virtuos bis experimentell setzt er seine Sprache ein. Mal schreibt er ohne Punkt und Komma, mal teilt er Sinnabschnitte nur mit Doppelpunkten.

Seit seinem Debüt 1954 hat der Schriftsteller seine literarische Vielseitigkeit in über 40 Büchern verschiedener Genres gezeigt. Romane, Essays, Reiseliteratur und Gedichte hat er geschrieben. Er habe es nicht eilig, die Manuskripte zu veröffentlichen, an denen er zurzeit arbeite. Denn im Grunde, so der betagte Mann damals, habe er alles gesagt, was er sagen wollte.

Juan Goytisolo verstarb 2017 in Marrakesch.

So authentisch wie die Herzogin von Alba

Einen "Intellektuellen durch und durch” nennt der Vorsitzende der Jury den Cervantes-Preisträger. Und Jurymitglied Elena Poniatowska preist: „Manchmal ist er so authentisch wie einst die Herzogin von Alba“. Die Auszeichnung erhält er laut Kultusminister Juan Ignacio Wert unter anderem für seine sprachlichen und stilistischen Fähigkeiten und „für seinen unermüdlichen Einsatz für den interkulturellen Dialog.“ Am 23. April 2015, wenn sich der Tod von Miguel de Cervantes zum 398. Mal jährt, wird König Felipe VI dem verdienten Autoren den Premio Cervantes an der Universität von Alcalá de Henares überreichen.

Auf Deutsch erschienene Bücher des Preisträgers

In unseren Breiten ist Juan Goytisolo kaum bekannt. Hier eine Liste der auf Deutsch erschienenen Titel. Einige frühe Werke sind allerdings nur noch antiquarisch erhältlich.

Suhrkamp Verlag

2012: Reise zum Vogel Simurgh

2006: Der blinde Reiter

2004: Gläserne Grenzen

2000: Kibla – Reisen in die Welt des Islams

1999: Das Manuskript von Sarajevo

1996: Landschaften eines Krieges: Tschetschenien

1996: Die Marx-Saga

1995: Weder Krieg noch Frieden. Palästina und Israel heute

1995: Engel und Paria

1994: Ein algerisches Tagebuch1993: Notizen aus Sarajewo

1993: Quarantäne1990: Landschaften nach der Schlacht

1984: Dissidenten1982: Spanien und die Spanier

1981: Johann ohne Land1978: Identitätszeichen

1976: Rückforderung des Conde don Julián, 

Hanser

1996: Gaudí in Kappadokien: Türkische Begegnungen1995: Die Häutung der Schlange: Ein Leben im Exil (Autobiografie, Bd. 2)1994: Jagdverbot: Eine spanische Jugend (Autobiografie, Bd. 1)

Rowohlt

1963: Sommer in Torremolinos

1961: Das Fest der Anderen1958: Trauer im Paradies

1958: Die Falschspieler

Edition Langenwiesche-Brandt

1966: Spanische Gewissensforschung (bei dtv 1976)

Aufbau-Verlag

1965: Strandgut

Weiterführende Links

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