Spaniens Comic-Star Miguelanxo Prado
Mal nachdenklich, mal leicht verschmitzt blickt Miguelanxo Prado in die Kamera. So wie die Handlung in "Leichte Beute" ist Spaniens Comic-Star nicht auf den ersten Blick zu ergründen. Wer ist dieser Mann, den der Salon del Comic Barcelona als den besten Comiczeichner ehrte? Und wie kam er überhaupt dazu?
Ein Portrait von Nora Kehr
Die Faszination fürs Zeichnen, Malen und Erzählen sei der Grund, sagt Prado der Zeitung El País im Interview. Es seien vor allem Geschichten, die man mit Bildern erzählen kann, Geschichten, die er im Alltag beobachtet.
Dass er sein Handwerk beherrscht, zeigen die zahlreichen Preise. Neben der Ehrung in Barcelona wurde er unter anderem in Angoulême mit dem Alph'Art für das beste ausländische Album ausgezeichnet. Beim Internationalen Comicsalon in Erlangen erhielt er bereits zwei Mal den Max-und-Moritz-Preis für die beste deutschsprachige Comic-Publikation.
Der Weg zur Neunten Kunst führte den Spanier über einen kleinen Umweg. Nach dem Architektur-Studium veröffentlichte er zunächst Geschichten in galicischen Magazinen. Die Verbundenheit zu seiner Heimat ist groß. Der Vater von zwei Kindern, Aldara und Adrián, kam 1958 in der nordwestspanischen Provinz A Coruña zur Welt. Dort wohnt er bis heute mit seiner Frau Uxía, einer Philologin und Lehrerin. Seit 1998 leitet er in der Hafenmetropole A Coruña das Comicfestival „Vinetas desde o Atlantico“. Der Galicier möchte Menschen für Comics mit hintergründigem Humor begeistern. Und das scheint zu klappen, denn jedes Jahr kommen zu den Ausstellungen und Vorträgen über 50.000 Besucher aus ganz Spanien, Frankreich und auch Deutschland.
Gezeichnete Gesellschaftskritik
Die eine Schublade gibt es nicht für ihn. Und so spiegelt sich das Faible für das Geschichtenerzählen im Oeuvre des Künstlers wider. Von satirisch-surrealen Kurzgeschichten über illustrierte Kinderbücher bis zur Graphic Novel und der Mitarbeit an einem Trickfilm. Prados detaillierte Bilder kreieren eine besondere Atmosphäre und ziehen den Leser in den Bann. Seien es die weichen schwarz-weiß Zeichnungen in "Leichte Beute" oder die aufwendigen Direktkolorierungen in "Ardalén".
Was alle Werke gemein haben? Eine Graphic Novel könne gesellschaftliche Missstände aufzeigen, genau wie ein Film oder ein Roman, erklärt Prado in einem taz-Interview. Seine Geschichten basieren sehr oft auf alltäglichen Beobachtungen und realen Themen. Wie einer Reihe von Selbstmorden in Spanien 2012, aufgrund der Bankenkrise und daraus folgenden Zwangsräumungen tausender Wohnungen. Mit „Leichte Beute“ ist dem Autor ein spannender Krimi im Stil einer klassischen Detektivgeschichte gelungen. Das Kommissar-Gespann Tabares und Sotillo ermittelt in einer Mordserie mit Verbindung zum Bankenmilieu. Was zunächst nach Zufall aussieht, entpuppt sich schnell als Rache an einem korrupten System, getrieben von Profitgier, ausgetragen auf dem Rücken der Alten und Schwachen.
Zwischen zwei Tischen
Wo immer die Protagonisten den Leser auch hinführen, die Bücher entstehen alle an den beiden Arbeitstischen in Prados Atelier. Einer zum Planen und Skizzieren, einer zum Zeichnen und Malen. Zuletzt war es die Geschichte des friedliebenden Nilpferds Amani. Das Kinder- und Jugendbuch thematisiert die Belästigung und Misshandlung von Frauen und ist gleichzeitig eine Botschaft für ein friedliches Miteinander.
Derzeit arbeitet der spanische Zeichner an seinem neuen Comic O pacto do letargo. Auch der erste Band der Triloxía do Tríscele ist schon in Arbeit. Er handelt von einer Welt der Magie mit Charakteren wie Feen, Hexen und Dämonen. Und von verborgenen, fantastischen Elementen der galicischen Kultur. Auch wenn über den Inhalt noch nicht viel bekannt ist, eins steht schon jetzt fest: Die neuen Abenteuer des Miguelanxo Prado spielen wieder in seiner Heimat Galicien. Bis es soweit ist, dürfen sich die deutschen Fans auf Ende 2020 freuen, dann erscheint im Hamburger Carlsen Verlag Die Lethargie.
Die Autorin
Nora Kehr ist freiberufliche Radio-Redakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in die Hamburger Verlagswelt lebt sie seit ein paar Jahren wieder in Köln. Als Kassettenkind der 80er liebt sie Hörspiele und gute Geschichten. Comics und Zeichentrick haben es ihr von klein auf angetan. Wenn sich die Gelegenheit bietet, reist die begeisterte Hobby-Fotografin gerne und knipst alles, was ihr vor die Linse kommt. In ihrer Freizeit näht sie gerne und beglückt Familie und Freunde mit selbstgemachten Dingen.
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