Das Gottesgutachten
"Das Gottesgutachten" von José Antonio Marina geht der Frage nach, ob wir etwas Sicheres über die Existenz Gottes wissen können. Eine kühle Analyse heutiger und vergangener Religionen mit dem Ergebnis: Nein, können wir nicht. Das Buch ist vor allem in Spanien und Lateinamerika scharf kritisiert worden.
von Tobias Büscher
Alle Religionen der Welt, schreibt der spanische Philosoph, haben drei Funktionen: erklären, erretten, ordnen. Und dabei sei gar nicht wichtig, ob die Ägypter zeitweilig nur einen Sonnengott anbeteten, der japanische Schintoismus 800 000 göttliche Wesen kennt und die hinduistische Kultur gleich mehrere Millionen (330, um genau zu sein).
Weil es so ist, oder weil Gott es so gemacht hat?
Mit spielerischer Leichtigkeit widmet der Autor sich komplexen Zusammenhängen. So sei das Erklären für jede Religion essentiell, weil wir ständig an Grenzen stoßen.
Beispiel: ein Kind löchert seine Mutter mit Fragen: Warum darf ich nicht draußen spielen? Weil es regnet. Warum regnet es? Weil es Wolken gibt. Warum? Weil sich Wasserdampf verdichtet hat. Warum? Weil es ein Naturgesetz ist. Und warum ist es ein Naturgesetz?
Die entnervte Mutter, so Marina, antwortet jetzt: Weil es nun mal so ist. Der Geistliche dagegen: weil Gott es so gemacht hat. Zweiteres wirkt beruhigender, keine Frage ...
So provokativ wie klug
Dass Götter Erfindungen der Menschen sind, haben schon viele Philosophen geschrieben, andere sprechen vom Opium fürs Volk, wieder andere glauben, Religiosität sei schon längst nicht mehr zeitgemäß. Marina macht es sich mit seinem Buch nicht ganz so leicht.
Er beschreibt, wie Religionen die Ängste und Sorgen aufgreifen, sie lenken und für sich nutzten. Wie "aus diesem konfusen Konglomerat von Gefühlen und Überzeugungen" Menschen hervorgingen, die den weiteren Verlauf der Geschichte stark beeinflussten: Buddha, Konfuzius, Jesus und Mohammed unter anderem.
Und er stellt fest, dass Religionen den Gottesbeweis selber bestenfalls sehr zögerlich anstreben, weil "ihre Quelle der Gewissheit nicht von der Vernunft, sondern von einer besonderen Erfahrung abhängt." Ein beachtliches Buch, oft provokativ, in jedem Fall aber ausgesprochen lesenswert ...