Buchrezension: "Gebrauchsanweisung für Andalusien", Verlag Piper, 2014
Gebrauchsanweisung für das ach so schöne Andalusien
Der Journalist Paul Ingendaay hat bereits eine Gebrauchsanweisung zu Spanien veröffentlicht. Jetzt ist Andalusien fällig. Und was erwartet uns da? Ein guter, pointierter Schreibstil des angesehenen Journalisten, eine Themenauswahl wie aus den 1950ern und schon wieder die alten Bilder von Flamencohöhlen und Karwoche. Hört das denn nie auf?
Der blödeste Schreibtrick der Journalisten geht so: XY ist ein Gebiet voller Klischees. Beim näheren Hinsehen aber zeigt sich ... So, und jetzt mal wörtlich aus dem neuen Piper-Buch mit dem Titel Gebrauchsanweisung für Andalusien: "Andalusien, das sind leidenschaftliche Flamencotänzer und mutige Toreros ...
Aber Andalusien bietet viel mehr als das." Was denn? Rätselhafte Bräuche der Karwoche! Im Ernst, das steht da. Hätte der Tourismus-Minister unter General Franco nicht besser hinbekommen.
Beim nächsten Buch Gebrauchsanweisung zu Galicien schreibt der FAZ-Autor dann am besten: Galicien, das sind Wildpferde und Maisspeicher. Aber beim näheren Hinsehen bietet Galicien noch viel mehr als das: Pilgerkapellen und den rätselhaften Heiligen Jakob.
Reale Gesellschaft? Millionäre aus Marbella
Aber bleiben wir fair. Das Buch bietet neben Rüschen-Frauen und Stierkampfgewicht auch knallharte Frontalreportagen. Thema? Beispielsweise die Luxuswelt Marbellas. Wir erfahren, wo die dicken Autos stehen, die hübsche Teresa arbeitet und der weltweit teuerste Parfumduft im Schaufenster ist.
Es wäre ja auch anstrengend gewesen, mit Ibrahim durch die Plastikplanenhölle Andalusiens zu ziehen, wo er ohne Ausweis für ein paar Cent die Stunde arbeitet. Oder mit der schönen Andalusierin Juana zu reden, die von der Bank wegen Überschuldung aus ihrem Haus vertrieben worden ist wie so viele.
Aber das Thema Reiche im krisengeschüttelten Spanien läuft weiter gut. Auch unter Journalisten. Wahrscheinlich sind schon mehr Reportagen über Marbellas korrupte Stadtoberhäupter und reiche Russen veröffentlicht worden, als Marbella im Winter Einwohner hat.
Es gibt Fisch in Andalusien!
Kommen wir nun zum gemütlichen Teil: dem Essen. Ja, tatsächlich, Andalusier kochen Fisch! Und wenn Sie davor einen Sherry trinken möchten, weiß der Autor: Nicht gleich zu Speisekarte greifen! Warten. Dann kommt der Kellner noch mit den Gratis-Tapas.
Herr Ingendaay, haben Sie an dieser Stelle beim Schreiben etwas ungewöhnliches geraucht? Das Fischparadies Andalusien für deutsche Tapa-Schnorrer? Liebe Basken, Asturier, Kantabrier und Galicier, der Mann meint das nicht so.
Ist halt in der launigen Stadt Köln geboren und hat den humorigen Text für Deutsche geschrieben. Für solche, die für alles, aber auch wirklich alles eine Gebrauchsanweisung brauchen.
Also wenn sich das Ding gut verkauft, sehen wir ab jetzt lauter Germanen in den andalusischen Tavernen vor dem Glas Osborne sitzen. O-Ton: Keine Sorge, Hildetraut, die Oliven-Tapas kommen gleich, das hat der Herr Autor gesagt.
Flamenco, Stiere und erstochene Ehefrauen
Was überhaupt ist der Sinn einer Gebrauchsanweisung? Sie erleichtert das Handeln. Bei Andalusien soll es wohl das Reisen sein. Der Piper-Verlag hat genau den Titel schon einmal herausgebracht, Autor war im Jahr 2000 der Spanienkenner Nikolaus Nützel. Warum auch immer der Autor nun ein anderer ist, er hat jedenfalls nicht besseres im Fokus als zum abertausendsten Mal Lorca, Picasso, Flamenco, Semana Santa und die inzwischen verstorbene Herzogin Alba. Wie oft brauchen wir das noch?
Wann kommt das erste vernünftige Buch über Andalusien heraus? In dem etwas von der dramatischen Landflucht steht? Etwas über die Krise der Olivenölprovinz Jaén? Etwas über die leerstehenden Häuser nach dem Immobiliencrash und die Makler-Geier an der Costa del Sol?
Immerhin hat Herr Ingendaay sogar ein relativ neues Thema mit ins Buch genommen: Andalusier, die ihre Frauen töten. Vor Jahren ist ein Medienrummel darüber im Land ausgebrochen, weil Südspaniens Männer statistisch am meisten Ehefrauen erstechen, erschlagen, verbrennen und überfahren.
Seit 2009 ist das Thema aber auch wieder durch im Land. Denn Andalusierinnen leben in Wirklichkeit auch nicht gefährlicher als russische und deutsche Ehegattinnen.
Und Spanien, auch Andalusien, hat größere Sorgen als bizarre Statistiken und bullige Stiere: die Region braucht gute Initiativen, eine bessere Lokalpolitik. Das xte Buch über Folklore, so gut es auch formuliert sein mag, braucht Andalusien sicher nicht. Und wir auch nicht.
Fazit: Überflüssig. Tipp daher, und aus dem selben Verlag: Teufelsköche des Spiegel-Journalisten Juan Moreno. tb