Weißweine aus Spanien: Wer zum Teufel ist Godello?
Ungefähr die Hälfte der spanischen Rebfläche ist mit weißen Sorten bestockt. Aber noch ist die weiße Seite der spanischen Weinlandschaft bei uns fast unbekannt. Dabei sind spanische Weiße groß im Kommen. Höchste Zeit, genau hinzusehen oder besser zu schmecken, bevor der Trend Qualitäten und Preise verdirbt.
von Marc Schubert
Godello ist weder Held eines bekannten Theaterstücks (Warten auf Godello) noch eine Legende des argentinischen Tangos (Carlos Godello). Godello ist eine weiße Rebsorte, wenn auch noch eine ziemlich unbekannte.
Dabei wurde sie schon 1531 urkundlich erwähnt und gehört so zu den ältesten weißen Rebsorten auf der iberischen Halbinsel. Wer sie näher kennenlernen möchte, begibt sich am besten weit in den spanischen Westen, nach Galicien. Hier reden die Menschen gerne und häufig darüber, ob es geregnet hat, gerade regnet oder regnen wird. Das Land ist gebirgig, das Klima ist mild und die Weine sind oftmals weiß und erfrischend. Perfekte Begleiter zu frischem Fisch und Schalentieren, die aus dem Atlantik gezogen werden.
Der Godello ist perfekt an die feuchten, etwas kühleren Bedingungen der Region angepasst. Er treibt früh aus und reift ebenso früh. Außerdem liebt er die kargen, steinigen Böden. Trotzdem wären uns die frischen, fruchtigen Weine mit moderatem Alkoholgehalt beinahe vorenthalten geblieben.
Denn in den siebziger Jahren waren nur noch wenige hundert Hektar übrig geblieben. Inzwischen sind es schon wieder runde 1.200 Hektar, vor allem in den Regionen Ribeiro, Ribeira Sacra, Valdeorras und Bierzo. Am Anfang dieser Renaissance stand wie so oft das unbeirrte Engagement einzelner Winzer.
Die beiden Pioniere Horacio Fernández und Luis Hidalgo aus Valdeorras sind wohl dafür verantwortlich, dass der Godello heute wieder auf den Weinkarten auftaucht. Wer die Weine der Rebsorte aber einmal probiert hat, weiß wieviel wir diesen unbeugsamen Winzern zu verdanken haben.
Rias Baixas - Albariño Superstar
Der eigentliche Star der galicischen Weine aber ist der Albariño. Vielen dürfte die Traube bereits einmal im portugiesischen Vinho Verde begegnet sein. Aber wir bleiben in diesem Artikel diesseits der Grenze, in der Region Rias Baixas (gesprochen: Rias Baischas).
Das lohnt nicht nur wegen des Weins, sondern auch wegen der traumhaften, sattgrünen Landschaft. Sieht fast aus wie Irland, ist aber Spanien. Es regnet deutlich mehr als in Dublin, aber 2.000 Sonnenstunden im Sommer bringen die Trauben auch so zur Reife. An der felsigen Küste zieht sich das Meer in den fjordartigen Rias bis tief ins Land hinein.
Die Legende berichtet poetisch, es seien die Spuren der Finger Gottes, als er einen Moment gerastet habe. Die Geologie spricht dagegen von Flusstälern, die von einem ansteigenden Meeresspiegel überflutet wurden.
Apropros Geologie: Der Boden bietet den für Fäulnis und echten Mehltau anfälligen Albariño-Reben genau das, was sie brauchen. Granitböden mit Sand- und Geröllanteilen sorgen für eine gute Durchlässigkeit, damit sich die Nässe nicht staut.
Es gibt jede Menge Mineralien, aber wenig Phosphor, was die Reben langsam wachsen lässt und für Konzentration sorgt.
Beginn einer Erfolgsgeschichte
Bei so guten Bedingungen wächst natürlich recht zuverlässig Qualität heran. Und das bleibt auf die Dauer nicht verborgen. 1991 traten die Weine aus Rias Baixas mit einem kleinen Paukenschlag ins Licht der Weinöffentlichkeit. Der angesehene „Club de Vinos Gourmets“ suchte die besten Weißweine Spaniens.
Am Ende standen vier Weine aus der Region auf den Spitzenplätzen. Damit waren die Gewächse der Region und vor allem der Albariño in der Spitzengastronomie angekommen. Gleichzeitig wächst die Anbaufläche. 1989 lag sie noch unter 1.000 Hektar, ungefähr in der Größenordnung der deutschen Saale-Unstrut-Region.
2007 hatte sich die Fläche mehr als vervierfacht. Das Tempo des Wachstums ist so enorm, dass die englische Fachzeitschrift „Decanter“ schon einen „Pinot Grigio Effekt“ ausmacht: Die Leute verlieben sich in einen Wein. Dann wird auf Teufel komm raus die Fläche erweitert, bis die Qualität nicht mehr mitkommt.
Aber auf der anderen Seite investieren Spaniens Top-Winzer immer noch gerne, um sich einige Filetstücke in der Region zu sichern. So schlug im April 2016 Sherry Produzent Gonzales Byass bei „Pazos de Lusco“ zu.
Ein Weingebiet mit fünf Regionen
Rias Baixas selber gliedert sich in fünf Unterregionen, die auch manchmal auf den Etiketten genannt werden:
Condado de Tea
Rosal
Ribero de Ulla
Rosal
Soutomaior
Allerdings verwies der oben erwähnte „Decanter“ darauf, das auch ausgewiesene Experten Probleme haben, Weine blind den Regionen zuzuordnen. Es gibt also noch Potential, das Terroir weiter herauszuarbeiten.
Aber wie sind nun die Weine? Sie enthalten neben Albariño (zu mindestens 70%) noch andere Rebsorten wie Caíño Blanco, Loureira, Torrontés oder Treixadura.
Im Fall von Rias Baixas Albariño ist sogar reiner Albariño angesagt. Einige Produzenten experimentieren mit Barriquefässern, aber insgesamt ist der Holzausbau der Weine nicht typisch. Einen Unterschied macht auch, ob die Weine früh von der Hefe abgezogen werden, um die Frische zu erhalten oder länger auf der Hefe stehen, um Cremigkeit zu gewinnen.
Gut, leicht, frisch
Die Weine sind mineralisch, frisch und vor allem niedrig im Alkoholgehalt, was manchen Weinliebhaber besonders erfreuen dürfte. Selten werden die zwölf Volumenprozent überschritten. Das Geschmacksspektrum reicht von Apfel- über Birnen-, Aprikosen- und Pfirsichnoten bis hin zu Zitrusfrüchten.
In jedem Fall passen die Weine hervorragend zu den frischen Meeresfrüchten, die es in der Region überall in bester Qualität gibt. Wer lieber mit eigenen Augen und dem eigenen Gaumen erkunden möchte, kann die Region am besten auf der Weinstraße entdecken. Sie verbindet Weinbau, grandiose Landschaft, kulinarische Höhepunkte und historisches Erbe der Region in perfekter Weise.
Wer den Wein in Deutschland entdecken will, muss sich leider damit abfinden, dass begehrte Weine selten günstig zu haben sind. Das Vergnügen beginnt ab ungefähr zehn Euro.
Rueda: Kapitalströme am Duero
Wenn in der Weinwelt wirklich was los ist, erkennt man das nicht unbedingt daran, dass sich Reben in romantischen Flusstälern lieblich in der Sonne wiegen. Es reicht auch ein Blick auf die Ströme des Kapitals. Und nordwestlich von Madrid in der DO (Denominción de Origen) Rueda fließt es reichlich.
Das war nicht immer so. Vor 1972 krähte nach den Weinen aus der Region kein Hahn. Auch die Gemeinde der Weintrinker ließ der hier angebaute Rueda Cortado, ein oxidativ ausgebauter Weißer im Sherry-Stil, eher kalt.
Einen Ruf hatte die Gegend als Kornkammer Spaniens. Aber dann kam das Jahr 1972 und der erste trockene Rueda Weißwein der Bodega Marqués de Riscal trat ins Scheinwerferlicht der Weinwelt. Diese bedeutende Bodega aus Rioja war auf der Suche nach einem frischen, trockenen Weißweinstil, der sich in Rioja so nicht realisieren ließ.
Die Bedingungen in Rueda waren vielversprechend: Weinbau seit der Vertreibung der Mauren, Höhenlagen von 600 bis 800 Meter mit kargen Böden, kalten Wintern, heißen und trockenen Sommern mit kühlen Nächten sowie Zusammenbruch des Weinbaus durch die Reblausplage um 1900. Hier war gutes Weinbauland günstig zu haben. Man investierte in moderne Kellertechnik und experimentierte mit Sauvignon Blanc. Edelstahltanks, kontrollierte, kühle Gärung und Vermeidung jeglicher Oxidation erhielten die Frische, die der Wein aus der Region mitbrachte.
Dann mischte sich noch ein Franzose ein. Wenn es in dieser Zeit um Wein geht, sogar der Franzose schlechthin: Émile Peynaud, der den Önologen des Riscalteams riet, auf die einheimische Verdejo-Traube zu setzen. Der neue Stil der Region war geboren. Schon 1980 wird die Region als DO nur für Weißwein qualifiziert.
Die Hälfte der 13.000 Hektar Rebfläche sind heute mit Verdejo bestockt. Daneben sind Sauvignon Blanc, Viura und Palomino zugelassen. Die Rebfläche wächst und 2015 haben spanische Winzer laut Decanter über 60 Millionen Euro in neue Weingärten investiert. Das Wachstum ist so rasant, dass sich die gleiche Fachzeitschrift fragt, wie lange die Qualität mit dem Wachstum noch mithalten kann. Die Aussichten der englischen Experten sind eher pessimistisch.
Auf jeden Fall kann man sich auf moderne Technik verlassen und (noch) über ein angenehmes Preis-Leistungs-Verhältnis freuen. Guter Rueda ist bei uns schon zwischen acht und zwölf Euro zu haben.
Die extraktreichen Weine sind pikant und rassig. Im Geschmack vereinen sie Stachelbeere, Zitrusfrüchte und grüne Kiwi mit herben Kräuternoten. Einfacher Rueda muss 50 Prozent Verdejo enthalten, Rueda Verdejo muss es auf mindestens 85 Prozent bringen.
Weißwein aus Rioja - jenseits der 90%
Willkommen in der Nische! Gerade mal 5% der Weine aus Rioja sind weiß. Doch obwohl das Rotweingebiet so etwas wie Terra incognita auf der deutschen Weißweinkarte ist, lässt sich hier so mancher Schatz heben. Wichtig für Schatzsucher zu wissen: Es gibt nicht den einen weißen Rioja, sondern zwei Stile nebeneinander.
Die moderne Stilrichtung gibt sich frisch und knackig und sollte früh getrunken werden. Die traditionelle Variante wird in Eichenfässern ausgebaut und sollte lange im Keller reifen.
Dafür halten die Weine dann oft Jahrzehnte und gewinnen mit der Zeit an Komplexität. Bisweilen gibt es auch Grenzgänger zwischen den Stilen: Weine, die nur kurz von der Eiche geküsst wurden und ihre Frische bewahren.
Hier zwischen Logroño, Haro und Calahorra, in einer der ältesten Weingegenden Spaniens (der Legende nach schon seit den Römern) leben Tradition und Innovation friedlich nebeneinander.
Verbindendes Glied ist die Viura-Traube, die dem Wein Frische verleiht. Meist tritt sie in einer Cuvee auf mit Macabeu (Malvasia) und Garnacha blanca (Grenache Blanc). Einzig bei der vor einigen Jahren beschlossenen Zulassung neuer Rebsorten, wie Chardonnay, Sauvignon Blanc und Verdejo, herrscht eine gewisse Uneinigkeit.
Während die einen glauben, Rioja als weltberühmte Rotweinregion verliere an Profil, wenn es seine weiße Seite weiter ausbaue, nutzen andere fröhlich die neuen Möglichkeiten.
So verwendet zum Beispiel das Weingut Baron de Ley seit 2011 Sauvignon Blanc und Verdejo in seiner weißen Cuvée. Die Vielfalt zeigt: Es lohnt sich für den neugierigen Weinentdecker, abseits des Rotweinpfads sein Glück zu suchen.
Die große Unbekannte – Airén
Nach der Airén-Traube muss man in Spanien nicht suchen, man stolpert fast automatisch darüber. Fast ein Viertel der Rebfläche ist damit bestockt.
Über 250.000 Hektar nimmt ihr Anbaugebiet ein, das ist mehr als das Doppelte der gesamten Rebfläche Deutschlands, Österreichs und der Schweiz zusammen. Macht im internationalen Rebsortenranking immerhin Platz drei. 20 Jahre vorher, also 1990, lag sie mit etwas mehr als 475.000 Hektar sogar noch auf Platz eins.
Da die Sorte spät reift und erstaunliche Widerstandskräfte gegen Hitze und Dürre beweist, wird sie insbesondere in südlichen Regionen wie La Mancha angebaut. Allerdings wird die Sorte zusammen mit Macabeu und Malvasia eher zu einfachen Konsumweinen verschnitten.
Oder sie zeigt in der Branntwein-Produktion ihre wahren Stärken. Insofern ist sie der französischen Ugni Blanc ähnlich, die im Cognac zu Ehren kommt. Aber das ist ein anderes Thema. Dieses Fass machen wir an anderer Stelle auf, versprochen. Vergnügen Sie sich in der Zwischenzeit erst mal mit den Weißweinen. Denn probieren geht über studieren und macht auch noch deutlich mehr Spaß.
Der Autor
Marc Schubert ist Theologe, Opernfan, Weintrinker und Schokoholic. Schreibt über Gott und die Welt. Liebt besonders kulinarische Themen, kann aber auch Komplexes appetitlich verpacken. Das beweist auch sein neues Bären-Portal