Gaudí: zwischen Traum und Realität

Sein Name ist weltberühmt. Sein Erbe ist überwältigend. Sein Lebenswerk ist das Wahrzeichen von Barcelona. Die Rede ist von einem außergewöhnlichen Architekten, einem Querdenker, einem eigensinnigen Vorreiter - Antoni Gaudí, dem wohl wichtigsten Vertreter des Modernisme.

von Olga Timochin

Verrückter oder Genie? Wir schreiben das Jahr 1878. Nach rund fünf Studienjahren wird den Studenten der Architekturschule von Barcelona ihr Diplom verliehen.

Einer unter den kreativen Geistern heißt Antoni Gaudí. Von seinen Dozenten wird der eigensinnige Student mit großer Skepsis betrachtet. Ausgezeichnete Noten bleiben ihm verwehrt. Lediglich die Note „bestanden“ erhält er für seine Leistung.

Auch bei der Diplomverleihung am 15. März 1878 ist der Institutsdirektor Elies Rogent nicht wirklich überzeugt von dem Können des 26-jährigen Absolventen. „Wer weiß, ob wir den Titel einem Verrückten oder einem Genie gegeben haben – nur die Zeit wird es uns sagen.“

Und die Zeit hat ihr Urteil gefällt.

Vorbild - „Ein aufrechter Baum“

Sagrada Família, Park Güell, Casa Batlló, Casa Milà – die berühmtesten Werke des bahnbrechenden Meisters sind nicht nur längst das Wahrzeichen von Barcelona geworden: Sieben von ihnen gehören zum Weltkulturerbe der UNESCO.

Organische Formen, farbenfrohe, detailreiche Mosaiken oft mit verspielten Motiven aus der Tierwelt, phantasievoll gewölbte Fassaden – die Gebäude des außergewöhnlichen Schpfers ziehen die Betrachter auf Anhieb in ihren Bann.

Sein Architekturstil ist an die Naturstrukturen angelehnt. Diese tiefe Verbundenheit zur Natur entwickelt sich bereits in Gaudís Kindheit. Als kleiner Junge leidet er am Rheumatismus. Seine Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt.

Die Ärzte raten zum ruhigen Lebensstil. Herumtoben mit anderen Kindern darf er nicht. Stattdessen unternimmt er lange Spaziergänge und entdeckt dabei seine Faszination für die Pflanzen- und Tierwelt.

Nach seinem Vorbild gefragt, antwortet der junge Gaudí später: „Ein aufrechter Baum: Er trägt seine Äste und diese Zweige und diese Blätter. Und jeder einzelne Teil wächst harmonisch, großartig, seit der Künstler Gott ihn geschaffen hat.“

 Teil 2: Gaudí - bahnbrechend seiner Zeit voraus