Alejandro Amenábar: Spaniens Filmregisseur

Alejandro Amenábar ist Regisseur, Drehbuchautor und Filmkomponist. Der junge Alleskönner zählt seit dem Thriller Abre los ojos zu den interessantesten Erzählern in der Welt des Kinos. Klasse auch sein Film Regression mit Ethan Hawke und Emma Watson.

von Marcos Fernández Vacas

Die Jahre scheinen ihm nichts anzuhaben: Immer noch hat er das kleine, ovale Jungengesicht mit der langen und geraden Nase. Alejandro Amenábar trägt das dunkle, glatte Haar wie immer kurz geschoren, in den braunen Augen schimmert der kluge, aber auch listige Schelm hindurch.

Dabei ist der 1972 in Santiago de Chile geborene, offen schwul lebende Cineast seit fast zwei Jahrzehnten im Geschäft, auch wenn bloß fünf Spielfilme auf sein Konto gehen. Aber die sind auf stets höchstem künstlerischem Niveau, was ihn zu einem der besten Regisseure Spaniens macht.

Stanley Kubrick ist das große Vorbild

In Interviews erzählt Amenábar gerne von seinen ersten Kontakten mit dem Kino. Ein Jahr nach seiner Geburt verließen seine Eltern mit ihm wegen des Pinochet-Putsches Chile und kamen nach Spanien. Schon als Kind schaute er sich nach der Schule die Videos seiner Eltern an.

Dutzende Male soll er dabei seinen Lieblingsfilm gesehen haben: 2001 – Odyssee im Weltraum von Stanley Kubrick.

Was ihn an diesem Werk fasziniert? Der Film gibt keine Antworten, sondern stellt Fragen. “Was mir am besten an Kubrick gefällt, ist die Suche nach Perfektion und Intensität. Seine technische Perfektion ist Eleganz”. Lange Einstellungen sind wohl auch deshalb ein Markenzeichen von Amenábar.

Filme machen statt Film studieren

Ebenfalls in seine Kindheit fällt das ausgeprägte Interesse an Musik; ein weiterer Zug, der ihn mit dem Meister Stanyley Kubrick und dessen Umgang mit Filmmusik verbindet. Amenábars Leidenschaft zu den Tönen ging sogar so weit, dass er sich eher zum Musiker als zum Filmemacher berufen sah.

Zum Glück ist es anders gekommen, aber bis heute schreibt er die Musik zu seinen Werken selbst.  1990 beginnt er dann doch ein Studium an der Universidad Complutense von Madrid im Fach Audiovisuelle Komunikation.

Doch er beendet es nicht, da er einen Schein nicht schafft: ausgerechnet Filmproduktion.  Da hatte er aber schon  den Preis der unabhängigen Filmemacher für den Kurzfilm La cabeza (Der Kopf) im Jahr 1991 gewonnen.

Ein Jahr später sorgt er für Furore auf dem Festival von Elche mit Himenóptero. Bigas Luna lobt ihn über alle Maßen, José Luis Cuerda ist seitdem sein  Mentor.

Mit Horror in den Goya-Himmel

Was folgt, ist der fast schon legendäre Erfolgsweg des vielleicht begabtesten Filmemachers der jungen Generation im spanischsprachigen Raum. Nach dem Kurzfilm Luna (Mond) von 1995 dreht er 1996 seinen ersten Spielfilm Tesis mit Ana Torrent, Fele Martínez und dem damals völlig unbekannten Eduardo Noriega in den Hauptrollen. Inhaltlich geht es um die Doktorarbeit der Filmstudentin Angela zum Thema Gewalt in Filmen.

Sie entdeckt im Archiv der Uni sogenannte Snuff-Filme, in denen fingierte Morde zu sehen sind. Bei ihrer Recherche lernt sie ihre Studienkollegin Chema kennen, nun tritt der wahre Horror in ihr Leben. Besonders in dem Moment, wo sie sich in den Studenten Bosco verliebt. Er ist der Psychopath, der in den Filmen die Morde begeht. Lohn für die nervenzerrende Strapaze bei Künstler und Publikum: Sieben Goyas im Jahr 1997, darunter für die Beste Regie und in der Kategorie Bester Film.

Kult-Streifen Abre los ojos

Der nächste Geniestreich folgt mit Abre los ojos (Öffne die Augen) von 1997. Wieder mit dabei ist neben dem schönen Eduardo Noriega in der Hauptrolle die nicht minder begehrenswerte junge Penélope Cruz.

Seit seinem Erscheinen hat dieser Streifen Kult-Status. Genial changiert Amenábar zwischen den Genres einer Biographie über das gelangweilte Liebesleben eines blutleeren Yuppie-Schönlings, dem Psychodrama des entstellten Frauenlieblings, dem Melodram der verlorenen Liebe, dem Thriller eines Pharma-Krimis und dem Science-Fiction einer surrealen Existenz-Endzeit-Utopie.

Nominiert für zwölf Goyas, gewinnt der Film keinen einzigen. Dafür öffnet er Amenábar die Tür zur internationalen Kinowelt, mit großer Anerkennung beim Festival in Berlin und dem Sundance-Film-Festival. Ebendort sieht Tom Cruise den Streifen, für den er die Rechte der nicht weiter erwähnenswerten amerikanischen Fassung Vanilla Sky erwirbt.

The Others ist ein Mega-Erfolg

Der Clou liegt aber in der Zusage der damalige Frau des amerikanischen Superstars Nicole Kidman zur Mitarbeit an The Others. Mit einem über 20 Millionen-Dollar-Budget dreht er 2001 diesen Horror-Thriller, in dem es um die Erlebnisse einer Mutter und ihrer zwei Kinder in einem unheimlichen Haus und deren Bewohner geht.

Die internationale Produktion ist ein Mega-Erfolg an den Kinokassen, vor allem in den USA. Obwohl kein Wort auf Spanisch vorkommt, bekommt Amenábar für The Others acht Goyas. Dreimal gewinnt der Mysterystreifen den Saturn Award: Nicole Kidman für die Hauptrolle, Fionnula Flanagan für ihre Nebenrolle und den Preis in der Kategorie Bester Horrofilm.

Die American Society of Composers, Authors and Publishers (ASCAP) vergibt ihm den Film and Television Music Award. Nun scheint der Spanier auf dem Höhepunkt. Wer dachte, besser geht es nicht, irrte gewaltig.

Mit Mar adentro zum Oscar

2004 folgt mit Mar adentro (Das Meer in mir) ein echter Paukenschlag. In diesem Film erzählt Amenábar die Geschichte des seit einem 30 Jahre zurückliegenden Unfall querschnittsgelähmten Ramón Sampedro, gespielt vom genialen Javier Bardem.

Der zur Bewegungslosigkeit in seinem Bett verdammte Kranke aus Galicien kämpft um Sterbehilfe, die er nach jahrelangem Disput mit der spanischen Justiz und Öffentlichkeit nicht gewährt bekommt.

Doch mit Hilfe von Freunden schafft er sein persönliches Happy-End. Für den nach schwierigen existentiellen Dingen wie Leben, Tod und Menschenwürde fragenden Film bekommt Amenábar den Jury-Preis der Biennale in Venedig, den Europäischen Filmpreis als bester Regisseur und den Golden Globe für den besten fremdsprachigen Film.

Die unglaublichen 14 Goyas im Jahr 2004 sind für ein Meisterwerk dieser Güte fast folgerichtig. Bleibt nur noch die Krone aller Kronen – Oscar 2005 für den besten ausländischen Film.

Ágora - Plädoyer für Toleranz

Danach nimmt sich das Wunderkind einige Jahre Zeit. 2009 kommt der Monumental-Film Ágora mit Rachel Weisz und Max Minghella in die Kinos. Mit 50 Millionen Euros Produktionskosten der bis heute kostspieligste spanische Film.

Die Geschichte dreht sich um das Leben der griechischen Philosophin, Mathematikerin und Astronomin Hypathia von Alexandria. Sie steht im Krisenzentrum von ausgehender antiker Geisteswelt und staatlich instrumentalisiertem Christentum, im Kampf zwischen kritisch fragender Vernunft und dogmatisch verfahrenden Glauben.

Tragisch endet ihr Leben. Leidenschaftlich wendet sich der Film gegen Intoleranz, fanatischem Hass und Machtspielen; er steht ein für Humanismus und Vernunft.

Auch mit diesem Werk gewinnt Amnábar Preise. Wirklich erfolgreich war der Film nur im englisch- und spanischprachigen Raum. Gespannt sind nun alle auf das neue Werk, das eins sicherlich nicht ist – langweilig.

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