Kerkelings Kultbuch im Kino: Ich bin dann mal weg

Man nennt es den „Kerkeling-Effekt“: Der berühmte Comedian, den alle Hape nennen, war 2001 auf dem spanischen Abschnitt des Jakobswegs. Schrieb 2006 ein Buch darüber. „Ich bin dann mal weg“ verkaufte sich über vier Millionen Mal. Es sorgte von einem Jahr aufs nächste für einen Anstieg der deutschen Pilger auf dem Camino um 71 Prozent. Der Erfolg des Bestsellers rief nach einer Verfilmung. Heiligabend 2015 ist als Start in den Kinos gut gewählt.

von Michael Dlugosch

Laut Hape sei das Leben „wie ein Kinofilm: Der Film läuft, aber die Vorführung ist beschissen. Kaum jemand ahnt, wie toll der Film ist. Das merkt man erst hier auf dem Jakobsweg“.

Aus dem Sachbuch „Ich bin dann mal weg“ ist jetzt ein Spielfilm geworden, ein recht passabler; er wird Kerkelings Buch gerecht. Regisseurin Julia von Heinz („Hannas Reise“, 2013) gelingt perfekte Bebilderung des Wanderns auf dem Camino, der Zuschauer spürt die Intentionen derer, die 800 Kilometer Strecke gehen wollen, deren innere Einkehr.

Für viele Menschen ist das sich über Wochen erstreckende Pilgern nach Santiago de Compostela in Spanien ein Trip auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, nach Gott, nach Grenzerfahrung – nach sich selbst. Beginnend in den Pyrenäen, endend in Galicien, lockt der Haupt-Jakobsweg mit einer Auszeit vom Alltag, vom Leben.

So auch für den Comedian Hape Kerkeling. Dessen Kampf um Bühnenerfolge 2001 zu Krankheiten führte, von denen die ihn verehrende Öffentlichkeit zunächst nichts erfuhr.

Unter anderem musste die Gallenblase raus. Übergewichtig, rauchend und gestresst plante der Komiker, das Leben nun anders zu führen. Und: Ab zum Pilgern auf die Iberische Halbinsel.

Philosophie wie aus Glückskeksen

Die Filmfigur ist dick. Der Zuschauer sieht dies zu Beginn des Films deutlich: Devid Striesow spielt Hape, in der einführenden Szene mit überdimensionalem Doppelkinn.

Der Film-Hape kippt hinter der Bühne um. In der Klinik sagt ein Arzt: abnehmen. Er werde aber sowieso Gewicht verlieren, denn die Gallenblase sei draußen. Kaum ausgesprochen, sieht Devid Striesow in der nächsten Szene wie Devid Striesow aus. Ohne Doppelkinn. Zum Glück geht das Filmteam danach weniger fahrlässig mit der Dramaturgie um.

Fortan bemüht sich die Crew ernsthaft um eine brauchbare Leinwandumsetzung der Buchvorlage. Auch Hapes Homosexualität ist klug eingebaut. Größtes Manko sind die aus dem Off eingewobenen Philosophien, die an Glückskekssprüche erinnern …

Auf seiner Film-Wanderung lernt Hape Kerkeling die Pilgerinnen Stella (Martina Gedeck) und Lena (Karoline Schuch) kennen und begegnet ihnen bis Santiago immer aufs Neue.

Die beiden Figuren kommen im Buch so nicht vor; die drei Drehbuchautoren verschmolzen insgesamt vier Frauen, die Hape wirklich traf und im Buch verewigte, zu den zwei. Eine kluge Entscheidung, nicht nur wegen der Persönlichkeitsrechte. Der Zuschauer behält den Überblick über die Protagonistinnen.

Diese sind klug charakterisiert, nicht mit Seelenpein und Hang zur Selbstöffnung überfrachtet. Auch wenn Stella um ihre Tochter trauert. Dramaturgisch geschickt ist dies in respektvoller Distanz zur Figur ausformuliert.

Es fehlt zwar Tiefgang. Aber bei einer solchen Reise sind Begegnungen flüchtig. Der Film stellt sie adäquat dar.

Der Hauptdarsteller führt den Film an und überzeugt

Den Film dominiert der brillierende Striesow in der Rolle eines sich selbst und Gott Suchenden. In der Rolle von Hape, dem er nahe kommt, äußerlich wie mimisch und gestisch.

Striesow dominiert und spielt doch ohne Eitelkeiten und Übertreibungen. Fast des Guten zu viel: Neben den philosophischen Gedanken im Off sind Szenen der Kindheit Hapes mit Omma Bertha (Katharina Thalbach) in den 1970ern dazwischen geschnitten.

Auch hier: der Zweifel an der Religion während der Selbstsuche, während des Aufstiegs zum kommenden Star.

Wer in einem Film nach Hape Kerkeling viel Humor erwartet, liegt falsch. Dezent gibt es ihn auch, doch die Ernsthaftigkeit des Stoffes übernimmt die Verfilmung konsequent. Ebenso die Darstellung der Glücks- und Qualmomente auf der Tour.

Wie sagt es Kerkeling: „Dieser Pilgerweg war das Verrückteste und Vernünftigste gleichzeitig, was ich bisher in meinem Leben unternommen habe.“

Details zum Film

Regie: Julia von Heinz;

Drehbuch: Jane Ainscough, Christoph Silber, Sandra Nettelbeck

Darsteller: Devid Striesow (Hape Kerkeling), Martina Gedeck (Stella), Karoline Schuch (Lena), Katharina Thalbach (Omma Bertha), Annette Frier (Dörte), Inez Bjørg David (Siri), Birol Ünel (Americo) u.a.

Produzenten: Hermann Florin (Feine Filme), Nico Hoffmann, Sebastian Werninger, Jochen Laube (letzte drei: UFA Cinema); Koproduzent: Hape Kerkeling; Kamera: Felix Poplawsky; Musik: Alex Geringas, Joachim Schlüter; Schnitt: Georg Söring, Alexander Dittner.

Deutscher Kinostart: 24. Dezember 2015; Lauflänge: 92,18 Minuten; FSK: ohne Altersbeschränkung; ein Film im Verleih von Warner Bros. Pictures Germany.

Der Autor: Michael Dlugosch ist Filmrezensent. Für unser Magazin schrieb er auch ein super Porträt über den Regisseur Luis Buñuel