Paso Doble: Spaniens Doppelschritt als Tanz

Eindringlicher Rhythmus, stolze Körperhaltung, effektive Posen: Der Paso Doble ist der spanische Exot unter den lateinamerikanischen Turniertänzen.

von Joanna Lenartowicz

Alle um die Tanzfläche angeordneten Tische sind voll. Die Gäste warten gespannt auf das Ereignis des Abends. Auf einmal werden die Lichter ausgeschaltet, die Gespräche verstummen.

Ein einziger Strahl irrt durch den Raum, bis er das Tanzpaar am Rande erreicht. Die Tänzer ziehen sofort alle Blicke an sich – prachtvoll gekleidet, mit stolz erhobenen Häuptern betreten sie das Parkett, ihre Szene.

Noch bevor die Musik anfängt, nehmen beide ihre Posen ein. Das Publikum hält erwartungsvoll den Atem an.

2/4-Takt - die Show beginnt

Plötzlich ertönen Kastagnetten im 2/4-Takt und die Show beginnt mit dem ersten Platzschritt (Appell). Während Trompeten und Klarinetten das Marschtempo betonen, durchquert das Paar den Tanzsaal.

Einfache, klar definierte, stets mit der Ferse angesetzte Schritte leiten die spanische Corrida ein, die im Paso Doble interpretiert wird. Der selbstbewusste Partner, die Rolle des Toreros bzw. Matadors darstellend, dominiert zweifellos.

In schnellen Wechselschritten und Drehungen flattert dagegen die distanzierte Tanzpartnerin wie eine Muleta (das rote Tuch), die man nicht zu nah am Körper führen darf. Trotz eines gewissen Abstands halten die Partner Blickkontakt.

Vom Trommeln zum Spagat

Den ersten Trommelklang begleitet eine flüchtige Pose, doch kurz drauf trennen sich die Tänzer. Einzeln demonstrieren sie eine Reihe von Wechselschritten und stampfen dabei fest auf den Boden, um den Rhythmus zu akzentuieren.

Für diesen Moment ähnelt die Partnerin zwar einer Flamencotänzerin, aber sobald das Paar zueinander findet, wird sie zum Schatten des gejagten Stiers.

Im letzten Teil deutet die allmählich gewaltige Musik diverser Orchesterinstrumente auf den kommenden Höhepunkt. Der Partner schreitet fest entschlossen zum Sieg und nimmt eine erhobene Position ein, beide Händen über dem Kopf.

Dem folgt gleich der tödliche Stoß, woraufhin die Partnerin im Spagat den Tod der Bestie symbolisiert. Parallel dazu gipfelt die Musik, hört abrupt auf und so endet eine der unendlich vielen Geschichten, die die geschickten Tänzer mit Paso Doble erzählen können.  

Anspruchsvoller Tanz mit unklaren Wurzeln

 

 Über die Ursprünge dieses Tanzes ist leider wenig bekannt. Anfang des 15. Jahrhunderts wanderten die Zigeuner, Gitanos genannt, überwiegend nach Andalusien ein und prägten seitdem die iberische Kultur bedeutend mit.

Es wird vermutet, dass Gitanos ab Mitte des 16. Jahrhunderts den temperamentvollen Paso Doble in allen Regionen Spaniens zu Feierlichkeiten getanzt haben.

Zu der späteren Standardisierung haben die Franzosen beigetragen, was sich in den Bezeichnungen einzelner Figuren widerspiegelt, die bis heute französische Namen tragen.

Im Laufe der Zeit eroberte der spanische Doppelschritt sukzessiv Europa sowie Lateinamerika. Da dieser Tanz choreographischer Natur ist und einen hohen Schwierigkeitsgrad aufweist, wird er selten außerhalb von Tanzturnieren getanzt.

Dramatischer Sound

Die Paso Doble-Musik erinnert an die Musik, die die Stierkämpfe begleitet, entweder beim Eintritt des Matadors oder kurz bevor der Stier getötet wird. Blas- und Streichinstrumente erzeugen durch Nachahmung des Klanges, der Dramatik und der Bewegung der Corrida zunehmende Spannung.

Die Melodie ist energisch, klar strukturiert, oft enthält sie Elemente aus Fandango und Flamenco. Hierbei wirken berühmte Matadoren, patriotische Motive oder lokale Helden inspirierend.

España cañí

Das heute wohl bekannteste, um 1923 uraufgeführte Musikstück ist España cañí  von Pasqual Marquina Narro, auch als Spanish Gypsy Dance und Zigeunertanz bekannt.

Er besteht aus einer Einleitung und zwei Hauptteilen, die tragend für die Darstellung sind. Jede Choreographie muss die Phrasierung der Musik reflektieren, sodass man z.B. die Pausen mit statischen Posen akzentuiert. 

Exot unter den lateinamerikanischen Tänzen

Seit 1945 zählt der Paso Doble zu den Turniertänzen, 1953 wurde er offiziell in das Welttanzprogramm aufgenommen. Er ist in vielerlei Hinsicht eine Ausnahme, jedoch nicht allein auf Grund seiner Herkunft oder Schnelligkeit (ca. 60 Takte pro Minute).

Ungleich den anderen Lateintänzen (Samba, Cha-Cha, Rumba) fehlen hier sowohl der Grundschritt und ständiger Körperkontakt, als auch die charakteristischen Hüftbewegungen.

Markante Haltung

Markant sind vielmehr die besondere Haltung (Schulter nach hinten und unten, leicht nach vorne verlagertes Gewicht, geschlossener Brustkorb, Mittelachse außerhalb der Körper der Tänzer, runde Armbewegungen), einfache, jedoch nicht gleichmäßige Schritte und die schon erwähnte Phrasierung der Figuren.

Je nach Kontext und Schule sind die mit den Absätzen erzeugten Geräusche, die den Charakter des Tanzes betonen, unterschiedlich laut.

Der progressive Paso Doble stellt hohe Anforderungen an die Tänzer hinsichtlich der Technik, Dynamik und Interpretation - „Man muss wiederholen und wiederholen und wiederholen!

Der Körper braucht längere Zeit für’s Lernen als der Kopf.“ Meinen die Tanzlehrer. Trotzdem ist er auf der weltweiten Tanzszene effektiv vertreten.

Jeder Paso Doble ist einzigartig

Jeder Paso Doble erzählt eine andere, unvergleichbare Geschichte der Corrida, die auch in dieser Form das Publikum mitreißt. In solchen tänzerischen Interpretationen zeigt das Wesen der spanischen Kultur hin und wieder neue Facetten.

Vielleicht mit einem einzigen Unterschied zum wirklichen Leben - im Paso Doble triumphiert der Matador über den Stier immer.  

 

Die Autorin
Joanna Lenartowicz ist Medienwissenschaftlerin und ehemalige Tänzerin.