Isabella und Ferdinand: Eine spanische Ehe mit Folgen
Am 19. Oktober 1469 gaben sich Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragón das Ja-Wort. Niemand sah damals die Geburtsstunde des spanischen Nationalstaats. Doch das vereinigte Königreich ist eine Erfolgsgeschichte. Wie die Teilreiche Aragón und Kastilien am Ende eine gemeinsame Identität fanden.
von Thomas Reeh
Die Geschichte liest sich wie ein Abenteuerroman. Am 19. Oktober 1469 schleicht sich Ferdinand von Aragón als Händler verkleidet in die kastilische Stadt Valladolid, um die junge Isabella von Kastilien zu heiraten.
Beide Königsfamilien sind gegen die Hochzeit. Doch das junge Paar folgt dem Ruf ihrer jungen, brennenden Liebe. So jedenfalls erzählt die spätere Hofpropaganda die Geschichte.
In Wahrheit dürften allerdings auch handfeste politische und dynastische Interessen eine Rolle gespielt haben.
Aragóns Händler, Kastiliens Schafzüchter
Die beispiellose Erfolgsgeschichte des vereinigten spanischen Königreichs hat damals wohl niemand erahnen können. Doch die Verbindung der beiden größten Territorien auf der Iberischen Halbinsel sollte dauerhaft bleiben.
Während die Thronerben Isabel und Fernando (span.) durch die Ehe das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden konnten, standen ihre Reiche vor einer Mammutaufgabe.
Auf der einen Seite das Ostküstenreich Aragón, dessen Handels- und Expansionsbemühungen ganz auf das Mittelmeer und Italien ausgerichtet waren.
Auf der anderen Seite das kastilische Zentralland, mit seinen Merino-Schafen und den ersten zaghaften Erkundungen der Neuen Welt jenseits des Atlantiks.
Wie sollten zwei so gänzlich verschiedene Reiche miteinander vereint werden? Worauf sollte sich eine gemeinsame Identität stützen?
Heilige Bruderschaft statt Provinzregenten
1476 ersetzten Isabella und Ferdinand die regionalen Verwaltungseliten in Kastilien und Aragón durch die zentrale Staatsbehörde Santa Hermandad (Heilige Bruderschaft). Auch die gemeinsame katholische Konfession nutzten sie für die Identitätsfindung.
1496 verlieh Papst Alexander VI. dem Herrscherpaar den Titel Katholische Könige. Auch sprachlich hatte die Verbindung Folgen:
Katalanisch entwickelte sich zum Regionalidiom Ostspaniens und durch die blutigen Eroberungszüge der Spanier in Süd- und Mittelamerika erfuhr das kastilische Spanisch einen beachtlichen Boom: 455 Millionen Menschen sprechen derzeit weltweit Spanisch.
1478: Beginn der Inquisition
Doch für das Zusammengehörigkeitsgefühl zahlten die zwei Königreiche einen hohen Preis. Denn Menschen bilden Gruppen, indem sie sich abgrenzen.
Die beiden Königreiche konnten also nur eine gemeinsame Identität gewinnen, indem sie sich gegenüber denen abgrenzten, die "nicht dazu gehörten". Die Rolle dieses Feindbild übernahmen religiöse Minderheiten.
Ferdinand und Isabella gründeten 1478 mit päpstlicher Genehmigung die spanische Inquisition. Sie ging radikal gegen Muslime, Juden und im 17. Jh. gegen Protestanten vor. Konfiskationen, Zensur und drakonische Strafen gegen Minderheiten waren an der Tagesordnung.
Selbst Abraham Senior, Isabellas Hofjude und Berater fiel der Verfolgung zum Opfer und musste 1492 zum Christentum konvertieren (Spaniens Geschichte im Überblick).Unter Isabellas und Ferdinands Nachfolgern Karl V. und Philipp II. stieg Spanien im 16. Jh. zur dominierenden Macht Europas auf.
Es hatte einen institutionellen Staatsausbau vollzogen, dem die anderen Mächte Europas hinterherhinkten.
Der Autor
Thomas Reeh ist Historiker und Redakteur.
Er hat 2006-2012 Geschichte und Philosophie in Heidelberg studiert und am Lehrstuhl für Frühneuzeitliche Geschichte gearbeitet. In seiner Freizeit schreibt er Kurzgeschichten.