Brief an die vielen lieben Spanientouristen

Neuerdings seht ihr im Urlaub nicht mehr nur Schaufenster-Aufschriften wie Foto Deutschland. Einige Spanier halten euch Protestfahnen entgegen mit der Aufschrift tourist go home. Und das völlig zurecht. Merkt ihr eigentlich noch, wie ihr euch benehmt?

von Tobias Büscher

Queridos Amantes de España,

in letzter Zeit machen ganz böse Fotos im Internet die Runde. Von Bewohnern Mallorcas, Barcelonas und am Jakobsweg, die mit schwarzen Fahnen und Plakaten gegen den Tourismus demonstrieren. Gegen die Säufer, gegen die Schnäppchen-Übernachter von airbnb, gegen den Müll der Pilger auf dem Camino.

Von dem Magazin Die Zeit bis zum Boulevardblatt Express berichten meine Kollegen, wie euch beispielsweise die Reifen der Mietwagen zerstochen werden, Pöbeleien inklusive. Ist denn das fair?

Für die Türkei fehlt euch der Mut

Jetzt sagt bloß nicht, ihr seid gut für Spaniens Wirtschaft. Es gibt im Hochsommer immer mehr Kellner. Aber wusstet ihr, dass deren Stundenlohn ein Witz ist gegenüber unserem Mindestlohn?

Seid ehrlich, das ist nicht euer Reisemotiv. Ihr wollt euch erholen, wie ihr das nennt. Und keine Schießereien. Deshalb traut ihr euch nicht mehr an die türkische Rivera.

Bis auf den 60jährigen unlängst, der todesmutig ins Land von Erdogan fahren wollte. Mit einer Pistole im Gepäck. Nein, bloß keine Schießereien.

Also ab ins Land der feurigen Iberer. Euer Problem ist nur: Ihr wollt ständig nach Malle, nach Granada, nach Barcelona. Ihr wohnt in Pauschalhotels in den Händen von Tui. Oder besser noch privat, an der Steuer vorbei.

Und ihr vom Ballermann, ihr bringt euer Dosenbier ja auch gleich mit, nicht wahr? Ihr seid laut. Sehr laut. Ok, eine Horde Spanier auf einem Campingplatz bei Heidelberg übertönt 50 Blasorchester. Aber ihr, ihr kommt ständig wieder. Da muss irgendwann jeder Anwohner durchdrehen.

Die Touristenburgen seid ihr auch selbst schuld

Ballermann, Benidorm, Bettenburgen. All das habt ihr selbst verursacht. Und weiter südlich sieht es auch schlimm aus. Der Anblick, wie zwei dicke Herren auf den Kanaren auf einem dünnen Dromedar Platz nehmen, um durch die Wüste geschaukelt zu werden: grausam.

Und der Massenandrang auf die Alhambra in Granada und das Dalí-Museum in Figueres: peinlich.

Macht das Spaß? Jeden Winter das Zimmer 613 auf Malle mit Meerblick für zwei Wochen buchen und zuhause den Strom abschalten, damit es noch günstiger wird?

Oder nach dem Spiel des FC Barcelona in Horden in Sporthosen besoffen die Ramblas runtertorkeln und dann Siesta am Stadtstrand in praller Sonne?

Geht mal dahin, wo Horst und Helga nie waren

Massentourismus verschandelt ganze Gegenden, das ist bekannt. Und der sogenannte Individualtourismus, von denen die Verlage gerne reden, ist auch nicht individuell. Spätestens beim nächsten Geheimtipp im Marco Polo aus Madrid und Málaga.

Dabei ist es so einfach, den Schattenseiten der spanischen Urlaubsgebiete zu entfliehen:

Fahrt mal nach Trujillo in Zentralspanien. Da kocht kein deutscher Koch. Da seid ihr sehr willkommen, genauso in der galicischen Provinz Ourense und im Nordaragón, in den Fischerdörfern von Asturien und in der kastilischen Stadt Soria.

Da sticht euch keiner die Mietwagen ab. Da gibt es keine Souvenirshops mit Plastiktoreros. Da erlebt ihr das echte Spanien.

Naja. Ihr fahrt da eh nicht hin. Richtig? Da gibt es ja kein Abendessen ab 18 Uhr mit Horst und Helga aus Bottropp wie jedes Jahr.

Aber ich, ich fahr da hin. Auch jedes Jahr. Weil ich eure Shorts und euer mieses Benehmen an der Hotelbar nicht mehr ertragen kann. Eine Wohltat. Dieser Urlaub von euch.

Herzlich,

 

Der Autor

Tobias Büscher ist Leiter dieses Onlineportals und Spanienfan. Über das Land berichtet er seit über zwei Jahrzehnten.

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