Das große Erbe der Mauren in Spanien

Ob in Architektur, Kulinarik, Philosophie, Literatur oder Sprache – die Einflüsse von über 700 Jahren maurischer Herrschaft in Spanien sind überwältigend. Die Araber brachten den Fortschritt ins bis dahin christliche Spanien. Bis heute ist ihr Einfluss spürbar – besonders in Andalusien.

von Laura Homberg

Der Geruch nach Wasserpfeife dringt aus einem kleinen Café, beim Kauf von arabischen Lampen gibt es ein kleines Gläschen Minztee, und beim Spaziergang durchs Albaicín, dem ältesten Stadtviertel von Granada, erklingen afrikanische Trommeln. Der Einfluss von über 700 Jahren maurischer Herrschaft in Spanien ist immer noch spürbar – im Alltag der Spanier, aber auch in Landwirtschaft, Architektur und Sprache.

In ganz Spanien sind zahlreiche Hinterlassenschaften der Mauren zu finden. Besonders in Andalusien, im Süden Spaniens – der letzten Bastion der Araber.

Die maurische Invasion

Die arabische Herrschaft – heute als goldenes Zeitalter bezeichnet – begann im Sommer 711. Die in Spanien herrschenden Westgoten konnten dem Ansturm der Araber nicht standhalten, zudem sie von der unterdrückten jüdischen Bevölkerung unterstützt wurden. 

Der Islam entwickelte sich zur führenden Religion in Spanien. Trotzdem konnten sowohl Juden als auch Christen weiterhin ihren Glauben ausleben. Während der convivencia, der Zeit des friedlichen Zusammenlebens, beflügelten sich diverse Glaubensgemeinschaften gegenseitig in Ideen und Leistungen. 

Al-Andalus – so nannten die Mauren das von Ihnen eroberte Land. Diese Bezeichnung finden wir im Namen der südlichen Provinz Andalusien wieder, die der Rückeroberung durch die Christen am längsten standhielt. 

Die Mauren brachten den Fortschritt

Es ist nicht anders zu sagen – wir in Europa haben der arabischen Herrschaft viel zu verdanken. Die arabische Sprache wurde zur Sprache der Wissenschaft, es entstanden Schriften arabischer Gelehrter, aber auch Übersetzungen griechischer Philosophen. Die Mauren gründeten Bibliotheken und Schulen und förderten die Wissenschaft. Noch immer sind circa 20 Prozent des spanischen Wortschatzes arabischen Ursprungs.

Auch in der Landwirtschaft brachten die Mauren neue Entwicklungen. Die von ihnen eingeführten Bewässerungssysteme machten das Land fruchtbar. Sie legten der Sonne zugewandte, bewässerte Terrassen an, auf denen Mandeln, Granatäpfel, Obst und Zitrusfrüchte wuchsen. Terrassen mit Wein, Oliven, Weizen und Baumwolle entstanden. Diese Art von Terrassenanbau und Bewässerung wird in Spanien auch heute noch praktiziert.

Mit der sich verändernden Landwirtschaft entwickelte sich auch die Küche der Spanier. Die nun zugänglichen Nahrungsmittel sowie der arabische Einfluss prägten die Esskultur. Auf der Basis von Mandeln entstanden allerlei Süßspeisen. Sehr beliebt und bekannt: Der Flan, ein besonders in Nordafrika verbreiteter Karamellpudding. Aber auch das Turrón - beliebte Weihnachtsleckerei bei den Spaniern – ist ein Erbe des maurischen Spaniens.

Neben der Kochkunst fanden weitere sinnliche Genüsse Einzug. Es entstanden zahlreiche Badeanstalten, sogenannte Hammams, die immer noch in Andalusien zu finden sind. Allein in Granada sind mindestens zwei dieser Bäder erhalten, die auch noch als solche in Betrieb sind. Hier ist es möglich, die arabischen Baderituale selbst zu erleben. Die maurische Bauweise der Bäder und das damit einhergehende orientalische Flair zieht zahlreiche Touristen an.

Einfluss auf Spaniens Architektur

Am deutlichsten sichtbar ist der Einfluss der arabischen Kultur in der Architektur. Leider sind trotz der langen Herrschaft der Mauren nicht besonders viele architektonische Bauwerke im Land übrig geblieben. Sie fielen der Zerstörungswut der Christen nach der Rückeroberung zum Opfer. 

Der Baustil der Mauren – heute als Mudéjar-Stil bezeichnet – zeichnet sich durch einfache Materialien aus. Im Einsatz waren Ziegeln, Holz, Keramik und Gips. Dekorative Elemente sind besonders farbige Kacheln – oft als Mosaik zusammengesetzt -, Stuck, Hufeisenbögen, ornamentale Formen und geometrische Muster.

Berühmte Beispiele maurischer Baukunst

Berühmte Beispiele maurischer Baukunst in Andalusien sind die Alhambra de Granada, die Moschee Mezquita de Córdoba sowie das Alcázar de Sevilla.

Nach dem Einzug der Mauren war zunächst die Stadt Córdoba das Zentrum des Landes. Im Jahr 756 begann der Bau der Mezquita, der großen Moschee. Besonderes Merkmal sind die rot-weißen Hufeisenbögen in der Gebetshalle. Nach der Rückeroberung Cordobas durch die Christen fand im Jahr 1236 die Weihung der Moschee zur Kirche statt.  Später mussten zahlreiche Säulen in der Mitte der Gebetshalle für den Bau eines christlichen Gebetshauses Platz machen. Seitdem ist die Mezquita ein Mix aus islamischer und christlicher Kultur.

Heute gilt die Alhambra als eines der schönsten Beispiele der maurischen Architektur. Sie entstand in der Spätblüte der arabischen Herrschaft. Sie ist das am meisten besuchte Bauwerk Spaniens.

Von außen ist zwar die Größe zu erahnen, nicht jedoch die Schönheit, die sich hinter den schlichten Mauern verbirgt: Ein Monument auf einer 13 Hektar großen Fläche mit islamischen Fresken und Mosaiken, kunstvoll angelegten Gartenlandschaften und beeindruckender Wasser-Architektur. Beeindruckend ist der ganze Komplex – besonders beliebt sind jedoch die Nazriden Paläste mit ihren Höfen sowie der Löwenhof. Auch nach der Vertreibung der Mauren entwickelte sich die Alhambra weiter – so errichtete sich Karl der V. seinen Palast inmitten der Alhambra.

Nicht nur in Andalusien, auch in anderen Teilen Spaniens sind architektonische Hinterlassenschaften der Mauren zu finden. Wie im circa 65 Kilometer von Madrid entfernten Toledo oder in Aragón, im Nordosten Spaniens.

Reconquista: Zerfall des Maurenreichs

Der Zerfall der maurischen Herrschaft begann ab 1031 mit der christlichen Rückeroberung des Landes durch die Spanier. Die sogenannten Reconquistadores eroberten nach und nach die wichtigsten Städte des Landes. Nur Granada hielt dem Eroberungszug stand. 

Erst im Jahr 1492 – als Kolumbus im Auftrag Spaniens Amerika entdeckte – fiel Granada an Isabella I. von Kastilien und ihren Gemahl Ferdinand. Den beiden ist in Granada ein Denkmal gewidmet. Nach Beendigung der Reconquista begann die Vertreibung der Mauren sowie der jüdischen Bevölkerung. Die Katholisierung Spaniens begann und das Zusammenleben von Religionen und Kulturen, wie es unter der maurischen Herrschaft möglich war, fand ein Ende. 

Der Zauber der Mauren bleibt erhalten

Er ist noch immer spürbar, der orientalische Zauber, den die Mauren hinterließen. Und er wird aufrechterhalten, erweitert und gefeiert. In den 1970er Jahren entstand in Spanien der Postmudejár, der sich besonders an Hotelbauten wiederfindet und den Baustil der Mauren wieder aufgreift. In vielen Städten finden Feste statt, die sich mit dem Kampf zwischen Mauren und Christen befassen. Zum Beispiel in der Stadt Alcoy in der Provinz Alicante, wo sich Einheimische und Angereiste jedes Jahr aufwendig als Mauros y Cristianos verkleiden.

Seit 2003 gibt es in Granada auch wieder eine Moschee. Sie befindet sich natürlich im Albaícin, dem alten maurischen Viertel Granadas.

Die Autorin

Laura Homberg ist Kulturanthropologin und Literaturwissenschaftlerin. Während ihres Studiums hat sie in Granada gelebt und die Stadt und das Land ausgiebig erkundet.

zm