Journalist in großer Mission: José Antonio Lagar

Er hasst Korruption und Egozentrik. Er will die Welt verändern. Er nimmt Randgruppen in Schutz, mit großem Erfolg. Der spanische Journalist José Antonio Lagar ist eine Ausnahmeerscheinung in der Medienwelt der Iberischen Halbinsel.

von Tobias Büscher

Badajoz. Ein Vormittag im Februar 2017. Der erste Eindruck ist immer entscheidend. "Wer ist das?", fragt mich meine vierjährige Tochter. "Das ist ein spanischer Kollege von mir, Marie, ein sehr bekannter Mann." Marie läuft auf ihn zu und gibt José Antonio die Hand. Es folgt der Begrüßungskuss. Das Eis ist gebrochen.In dem Hotel im Zentrum der spanischen Stadt Badajoz geht es zum Interview in der Cafetería. José Antonio fährt seinen Rollstuhl an einen der Tische, wir setzen uns auf die Stühle dort.

Als der Mann fünf Monate alt war, diagnostizierten die Ärzte Kinderlähmung. Was ihn aber nicht hinderte, eine Bilderbuch-Karriere hinzulegen. Mit 17 hat er mit dem Journalismus angefangen und ist Radiomann beim staatlichen Sender geworden. Der Journalist und Moderator José Antonio hat außerdem die Stiftung Primera Fila und die Zeitschrift Grada ins Leben gerufen. Er hat zwei Töchter. Eine davon ist wegen einem Hirnschlag ebenfalls auf den Rollstuhl angewiesen. Und er kämpft: Für einsame Frauen, für Dementkranke, für Altersschwache und Häftlinge. Ein Gutmensch? Aber klar. Und wie. Hier das Interview mit einem, der allen Ernstes die Welt verbessern will. José Antonio im Wortlaut

Wer will, der kann, sagt der Radiomann

Es freut mich, mit Dir und Deinen Lesern hier zu sein. Inzwischen arbeite ich seit 30 Jahren als Journalist, glaub aber nicht, dass ich sehr alt bin. Ich habe schon mit 17 angefangen.

Ein reiner Sportjournalist bin ich nicht, habe aber mit Sportreportagen begonnen damals. Dann habe ich Magazine entwickelt, Musikshows, verschiedene Programme und schließlich eine Sendung mit sozialen Themen für ganz Spanien mit Namen: Si se quiere, se puede (wer will, der kann). Ich arbeite für die Öffentlich-Rechtlichen in Spanien, RTVE, eine Art spanische ARD. Und ganz konkret für das Nationalradio RNE, Radio Nacional de España.

Ich bin Fußballfan, kein Hooligan

Natürlich ist beim Favorit der meiner Stadt: CD Badajoz. Und auf nationaler Ebene mag ich Real Madrid, weil ich mich als Journalist dort in Madrid zehn Jahre lang geschult habe. Ein Hooligan bin ich aber nicht. Ich mag guten Fußball. Auch den von Barca, Bayern, Borussia, Juve und Manu.

Mein kleines Studio, barrierefrei

Bis vor einigen Jahren habe ich Gehstützen genutzt, meine Beine sind seit der Kinderlähmung eingeschränkt. Heute erkunde ich die Welt im Rollstuhl. Dadurch brauch ich manchmal mehr Zeit, auch um Treppen zu umkurven. Abgesehen davon ist mein Leben normal. Nicht nur im Tonstudio in meinem eigenen Haus. Glaub mir, bis vor kurzem noch bin ich zu allen Fußballstadien Spaniens gefahren und hab es immer geschafft, dort in die Reporterkabine zu gelangen. Manchmal mit Hilfe der Kollegen, natürlich.Komplexe wollte ich nie haben. Und so normal wie möglich leben. Ich bin verheiratet mit einer sehr schönen Frau, und habe zwei attraktive Töchter. Maria ist 25 und Eva 20. Eva hat während ihrer Geburt eine Gehirnverletzung erlebt und ist dadurch motorisch auch eingeschränkt.

Roboter sind eine riesen Hilfe

Die Stiftung Primera Fila ist entstanden, als Eva zur Welt kam. Damals habe ich festgestellt, dass es noch wenig öffentliches Bewusstsein für solche Behinderungen gibt. Es ging uns um Hilfe, um eine Organisation, die diese Themen effektiv in die Welt bringt. Deshalb gibt es auch unsere Zeitschrift Grada. Mit den Einnahmen bringen wir Primera Fila schon seit über acht Jahren weiter.Primera Fila (in erster Linie) hilft Randgruppen: Frauen, Alten, Gefangenen, Flüchtlingen, Behinderten. Wir haben in Badajoz ein Therapiezentrum eröffnet für Kinder und Jugendliche mit geistigen und neurologischen Problemen. Wir arbeiten eng mit der Universität der Extremadura zusammen. Die Spezialität von Primera Fila ist die soziale Kommunikation. Grada ist sozuagen unser Lautsprecher.

Im Dezember werden wir außerdem die erste Ausgabe der Internationalen Messe Feria Internacional de la Robótica in die Wege leiten. Neue Ideen rund um die Roboter helfen den Menschen in vielen Alltagsbereichen, etwa beim Essen. Und Badajoz kann hier ein Vorreiter der Ideen werden.

Die Guten unter den Firmenbossen

Als meine Tochter Eva neun Jahre alt war, entstand die Idee für die Zeitschrift Grada. Ich wusste: der Eintritt in die Arbeitswelt würde für sie nicht leicht. Also suchten wir nach Firmen und Firmenchefs, die sich so sozial verhalten, dass sie auch stark Behinderte einarbeiten. Und stellen sie in Grada vor.

Es ist eine Zeitschrift für Kulturthemen und Kommunikation. Bei uns arbeiten auch Menschen mit Behinderung. Ich glaube, wir haben mit Grada die beste Zeitschrift Südostspaniens erschaffen (lacht). Online gibt es sie übrigens unter grada.es

Eva auf Instagram

Meine Tochter lächelt gerne. Sie ist eine Kämpferin, hübsch, sehr intelligent und bewegt sich trotz ihrer Bewegungseinschränkung ganz großartig in dieser Welt. Sie nutzt dabei Facebook, Twitter und Instagram, ihren Computer und das Telefon. Das klappt sehr gut.

 

Geld ja, aber nicht für Egomanen

Mein Wunsch für die Zukunft? Eine integrativere, sozialere Welt. Weniger Egomanen und Individualisten. Eine Welt, in der wir in soziale Projekte investieren statt in Waffen. Und in der Geld den Menschen dient und nicht der Korruption so mancher Machthaber und Politiker ...

Recherchenotiz

José Antonio Lagar (links im Bild) beim Gespräch in Badajoz. In der Mitte ich selbst, rechts José Antonios Freund Silverio Nogales. PS: Inzwischen durfte ich für Grada bereits einen ersten Artikel verfassen. Riesen Ehre!