Onlinejournalismus in Spanien

CTXT ist ein journalistisches Onlineportal aus Madrid. Gegründet haben es frustrierte spanische Journalisten von El País und El Mundo im Jahr 2015. Sie wollten ein vollkommen unabhängiges Medium etablieren. Frei von Print sowie politischer und ökonomischer Einflussname. Ist das gelungen?

Von Tobias Büscher

Vor einiger Zeit kommentierte der Journalist Sebastian Schoepp im Onlineportal der Süddeutschen Zeitung den Abgang des einstigen Regierungschefs Mariano Rajoy in Spanien durch ein Misstrauensvotum.

Dabei zitierte er eine Internetzeitung, die bei uns kaum einer kennt: Ein Magazin mit dem fast schon nach Spam klingenden Namen CTXT. Diese schrieb, der neue Regierungschef der Sozialisten fahre nun den Kurs der „Austerität mit menschlichem Antlitz“.

Adiós Print

Was hat der Auslandsredakteur der SZ denn da für eine Quelle aufgetan? Andere sind doch viel bekannter: El País, Spaniens mediales Flaggschiff der Vergangenheit, heißt wörtlich Das Land.

Die eher konservative Konkurrenz heißt El Mundo Die Welt. Doch im Journalismus geht es eben nicht um universelles Erscheinen, sondern vor allem um gute Infos und Argumente.

CTXT steht für Contexto, also Zusammenhang. Die Mitarbeiter wollen Journalismus jenseits der Krakenarme von Beamten und Bossen. Denn Verlage wie Prisa von El País haben immer mal wieder an der Karriere der eigenen Journalisten herumgeschraubt. Von den potenten Schinken- und Autobaronen ganz zu schweigen.

1 Mio User nach nur zwei Jahren

CTXT will schnell sein, Tiefgang bringen und unabhängig sein. Mehr noch: Die Redaktion vermeidet Print bei ihrer eigenen Arbeit vollkommen. Allerdings lassen die Journalisten das kulturell orientierte Monatsmagazin Dobladillo drucken.

Gerne auch als Geschenk für User, die das Portal freiwillig unterstützen. Wer 70 Euro im Jahr zahlt, bekommt 12 Ausgaben gratis. Was aber nicht bedeutet, dass das Portal Nichtzahler aussperrt.

Das System scheint aufzugehen, und Spenden fließen sicher auch. Schon ein Jahr nach der Entstehung gab es über eine halbe Million User, inzwischen sind es nach eigenen Angaben 1 Mio.

Linke Ausrichtung, namhafte Autoren

Die Mitarbeiter bestehen aus Journalisten wie Mónica Andrade (ehemals El País), Filmregisseuren wie José Luis Cuerda (La Lengua de la Mariposa) und Kunstkritikern wie Hans Ulrich Obrist aus der Schweiz.

Das Onlinemagazin kommt fast komplett ohne Werbung aus. Abgesehen vom verlinkten Logo der Kollegen von El Público. Mit denen ist CTXT eine Partnerschaft eingegangen.

Diese, ebenfalls aus Madrid, sind vor zehn Jahren als Printzeitung an den Start gegangen. Mit Sonntagsbeilagen wie CDs der besten Rockbands und Kultfilme.

Seit 2012 sind sie aber auch nur noch online. Vaya. Sowas haben sich überregionale Zeitungen im deutschsprachigen Raum noch nie getraut.

Sind die Spanier weiter als wir?

Offenbar sind diese Medienleute aus Spanien weiter als wir. Bei der linken Tageszeitung taz beispielsweise glauben sie noch immer, das gedruckte Medium habe Bestand.

Zukünftig zumindest als Wochenendausgabe. Andere bringen mitten im Internetzeitalter neue Printhefte: Die FAZ freitags ein Wochenmagazin, der Kölner Stadtanzeiger brachte vorübergehend sogar mittags eine Papierzeitung für Studenten (Flopp).

Und die Süddeutsche hält auch an ihrer Zeitung fest. Noch zahlen die Fans. Doch im Grunde ist das so, als würde man für den Urlaub einen Diafilm 50 ISO von Fuji kaufen. Und dann im Fotolabor später mal sehen, wie die Bilder so geworden sind.

Genauso wollen User doch heute den Kommentar zum aktuellen Thema sofort lesen, und nicht am Tag darauf gedruckt. Eine Binsenwahrheit eigentlich, doch in Madrid haben sie es konsequent umgesetzt.

Fazit: Gute Idee also, was die Kollegen da machen. Wobei das Kürzel CTXT eher an das Modell eines französischen Autobauers erinnert.