„Unsere Songs sind für alle da“

Spaniens Band Amaral im Porträt

Songs von Stefan Raab oder Rammstein im Parlament? In Deutschland undenkbar. In Spanien hat es eine Band geschafft. Dort sorgte die Ballade „Sin ti no soy nada“ des Pop-Duos Amaral für einen Eklat.

von Ole Arntz

So geschehen im Wahlkampf 2011, als der damalige Innenminister Mariano Rajoy auf den Oppositionsführer Alfredo Pérez Rubalcaba einwetterte. Der indes konterte gelassen mit eben jenen Worten: „Sin ti no soy nada.“ Seitdem ist „Ohne dich bin ich nichts“ zwar weiterhin der verzweifelte Ausruf aller Verlassenen, aber auch eine schöne Möglichkeit, Wichtigtuer und Dummschwätzer ins Leere laufen zu lassen. 

Vögel im Kopf

Die Band allerdings freute sich nicht im geringsten über die Publicity im Parlament. Sie gab sich empört. Schließlich gehört Amaral, namentlich Gitarrist Juan Aguirre und Sängerin Eva Amaral, seit mehr als zehn Jahren zur musikalischen Landschaft Spaniens - wie hierzulande Die Ärzte oder Die Toten Hosen.

Das Album „Estrella del Mar“  (dt. Seestern) bescherte der Band 2002 den Durchbruch in ihrer Heimat. Es folgten Auszeichnungen als beste Künstler, für den besten Song und das beste Album des Jahres.

Noch erfolgreicher war bislang lediglich das Nachfolgewerk „Pájaros en la cabeza“ (dt.: Vögel im Kopf bzw. Flausen im Kopf), das unter anderem siebenfach mit Platin veredelt wurde. Spanier kennen Amaral und ihren Mix aus Folk, Pop, Latino-Beats und Synthie-Sounds schon als Vorgruppe von Lenny Kravitz und Bob Dylan.

Über die Grenzen hinaus ist ihre Zusammenarbeit mit Moby in der Single „Escapar“ bekannt. Aber in Verbindung mit irgendeiner Partei will das Duo nun wirklich nicht stehen: „Unsere Songs sind für alle da“, entgegnete ein sichtlich genervter Juan Aguirre während eines Pressetermins im Vorfeld des Albums „Hacia Lo Savaje“.

Größtes Laster: Schokolade

Auch Sängerin Eva Amaral will sich vor keinen politischen Karren spannen lassen. Die Texte der 40-Jährigen entspringen ihrem alltäglichen Empfinden.

Meistens geht es dabei um die Wirrungen menschlicher Gefühle. So ist „Sin ti no es nada“ auch ‚nur‘ ein Klagelied über eine verflossene Liebschaft. Und auch ein Lied wie „Revolución“ singt die zierliche Sängerin sicher nicht, um Regime zu stürzen. Sie will Menschen verbinden.

Die Idee, der Band Evas Nachnamen zu geben, stammt übrigens von Guitarero Aguirre, der den Namen Amaral „irgendwie geheimnisvoll“ fand. Und als eines ihrer größten Laster nannte die ehemalige Kunststudentin gegenüber dem US-amerikanischen Online-Magazin „Schokolade“.

Punk-Rock geht anders. Auch Selbstinszenierungen mag das Musik-Duo aus Zaragoza nicht sehr. Ohne Frage gibt die Musikerin im „Kleinen Schwarzen“ eine gute Figur ab, doch Eva Amaral allein darauf zu reduzieren, ist undenkbar. Zu selbstverständlich wirkt das, was sie auf der Bühne am Leib trägt. Und ganz nebenbei spielt die Sängerin und Komponistin noch Gitarre, Mundharmonika und Melodica.

Hoffnung für Wutbürger

„Ich bin, was ich bin“, zitiert sie eine spanische Fan-Site. Genauso verhält es sich mit der Sängerin und dem Thema Politik. Als „Hacia Lo Salvaje“ entstand, schlugen die spanischen Wutbürger im Kampf gegen die Euro-Sparpolitik ihre Zelte auf und protestierten auf den Straßen von Madrid.

Direkt vor der Studiotür. Diesen Menschen, sagte Eva Amaral der Tageszeitung El Mundo im Juni 2011, wolle sie mit ihrer Musik Hoffnung machen. Vielleicht steckt auch ein bisschen Kalkül dahinter. Schließlich verkauft ein „All Hispanic Girl“ mehr als eine Künstlerin, die mit aller Macht provoziert und aneckt.

Erst recht, wenn sie nach dem Vertragsende mit dem Major-Label EMI die Band auf eigene Faust managen will.Fest steht: Eva Amaral äußert ihre Meinung zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort.

Aber ganz bestimmt stehen dieser spanischen Künstlerin natürliches Understatement und Talent besser als zur Schau gestellte Attitüde.

Der Autor

Ole Arntz ist Redakteur und Musiker, Nordlicht und Wahl-Westfale. Er singt, spielt Gitarre und schreibt Songs. Er führte u.a. Interviews mit Jude Law, Katie Melua und Chuck Palahniuk („Fight Club“). Die Heroes Del Silencio entfachten seine Begeisterung fürs Spanische, HIM machten ihm Lust auf Finnisch.

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