Jarabe de Palo im Portrait
Seit 18 Jahren begeistert die Rock und Popgruppe Jarabe de Palo weltweit ihre Anhängerschaft. Seit ihrem ersten Hit „La Flaca“ gehören sie zum Latino-Sound wie Mojito zur Karibik. Frontsänger Pau Danés ist leider im Jahr 2020 viel zu früh verstorben. Dieses Porträt entstand zu seinen Lebzeiten.
von Marcos Fernández Vacas
Meist stehen fünf Bandmitglieder auf der Bühne, manches Mal kommt der eine oder andere Musiker hinzu. Gründer, Sänger und Komponist Pau Donés steht auf gepflegtes schlechtes Aussehen: Oft trägt er lange, schwarze Haare, einen Zentimeter langen Bart und schlecht sitzende Jacketts.
Und wenn er Lust drauf hat, zieht er sich ein Trikothemd seines Stadtvereins FC Barcelona an. Die anderen Bandmitglieder legen auch keinen Wert auf die Etikette. Aber nicht nur das authentische Aussehen zeigt die Nähe zu ihrem Publikum. Es sind vor allem die ehrlichen Lieder, die die Band zu einem Publikumsrenner gemacht hat.
Raue Schale, weicher Kern
Jarabe de Palo ist eine Tracht Prügel. Das ist tatsächlich ein umgangssprachlicher Ausdruck im Spanischen. Prügeln tun sie sicherlich nicht, aber die Musiker um Frontmann Pau Donés „blasen“ auf Konzerten den Zuhörern stets die Ohren weg. Ein bisschen klingt die Gruppe nach Manu Chao. Das liegt einerseits am häufigen Einsatz von Bongos, Trommeln und der Rhythmusgitarre.
Auch der Einfluss der swingenden Rumba kommt öfters zum Tragen. Andererseits sind sich die Stimmen von Pau Donés und dem Franzosen mit den spanischen Wurzeln einfach sehr ähnlich. Es klingt oft nach barrio, nach dem Slang aus dem Viertel: die Vokale spricht man manchmal lang aus, die Stimme näselt ein bisschen. Die Themen: Szenen und Erfahrungen aus dem Alltag, Kritisches zu sozialen Angelegenheiten und natürlich die Liebe. Mal erfüllt, mal verflossen.
La Flaca und der Erfolg danach
Der Erfolg kam nicht über Nacht. 1996 erschien die CD „La Flaca“, darauf das gleichnamige Lied. Ein Jahr später wird es für ein Werbespot benutzt und im Sommer 1997 einer der Hits des Jahres. Jarabe de Palo sagt zum Debüt: "Elf einfache und direkte Songs ohne größere Ansprüche.
Musik im mittleren Tempo und Liedtexte mit der Botschaft aus der Erfahrung von 31 Jahren Sonne und Schatten.“ Von da an geht es unaufhörlich aufwärts.
Insgesamt werden acht CDS veröffentlicht, die allesamt äußerst erfolgreich sind. Mit Preisen ausgezeichnet sind sie auch: neben nun schon über ein Dutzend Nominierungen erhalten sie einen Latin-Grammy Award für die beste Aufnahmetechnik 2009 für das Album „Orquesta Reciclando“. Und natürlich haben sie auch schon zwei Música Ondas aus Spanien.
Internationale Latin-Rock-Stars
Nicht nur die Auszeichnungen sind Beleg ihres Status als Rockband in der Latin-Music. Jarabe de Palos´ Konzerte werden von Jahr zu Jahr zahlreicher und sind fast immer ausverkauft. 2004 geben sie 113 Live-Konzerte. Wo? Überall da, wo Spanisch gesprochen wird, also beispielweise auch in New York. Und mit wem sie alles zusammenarbeiten und als Gastmusiker auf ihren Alben begrüßen.
Richtig rock´n rollt wird mit Chrissie Hynde von The Pretenders auf dem Album „1m2“. Mit Alanis Morissette drehen Jarabe de Palo ein Musikvideo und sind seitdem mit der kanadischen Sängerin befreundet. 2001 lädt sie Luciano Pavarotti zu einer Gala mit Deep Purple, Tom Jones und anderen illustren Gästen ein.
Von Anfang an arbeiten sie natürlich mit spanischsprachigen Musikern zusammen: Antonio Carmona von Ketama, Compay Segundo, Joaquín Sabina, Celia Cruz oder La Mari de Chambao.
Tronco Records und sozialer Einsatz
Einen wichtigen Schritt wagen sie 2008. Jarabe de Palo nehmen nicht nur mit „Orquesta Reciclando“ ihr erstes Buch-Album auf, das sie 2009 veröffentlichen. Mehr noch! Sie gründen ihr eigenes Unternehmen Tronco Records.
Seitdem sind sie die gesamte Produktion hindurch künstlerisch unabhängig. Zugleich sind sie sozial äußerst engagiert: sie treten beim Concierto Free Tibet auf, unterstützen die Kampagne „Pastillas para el dolor ajeno“ von Ärzte ohne Grenzen oder reisen nach Mali, um eine Musikwerkstatt in Bamako zu gründen. Eingeladen von ONG VOCES entsteht daraus das Lied „A Glonendo“, eine Mali-Version ihres Hits „Depende“. Die gesamten Einnahmen gehen an den Neubau einer Schule in Bamako.
Neues Album, neue Tour
Seit Mitte 2011 sind sie mit ihrem aktuellsten Album „¿Y ahora qué hacemos?“ wieder in vielen Ländern auf Tournee. Besonders erfolgreich ist Jarabe de Palo dabei in Mexico, wo sie Zusatzkonzerte geben mussten. Die Lieder sind wieder ein bisschen rockiger, mehr Straße, weniger Strand, aber es findet sich auch manch eine Ballade.
Und wer die Musik nachspielen will, findet auf ihrem Websiteauftritt eine zip-Datei, auf der Texte und Harmonien der aktuellen Lieder veröffentlicht und für jeden kostenlos zugänglich sind. Wie die Band selbst sagt: „Jarabe suma y sigue … ¡Que no pare la música!“ „Kurz, Jarabe, und folgen …Die Musik darf nicht aufhören!“
Der Autor
Marcos Fernández Vacas lebt in Bonn. Er hat einen Faible für spanische Philosophen wie Miguel de Unamuno sowie Flamenco und spielt selber Gitarre.