Eine Stimme, so zart wie Schokolade
Victoria de los Ángeles, Teil 2
Die Fachwelt schwärmt von der Stimme Victoria de los Ángeles. Sie erreicht in ihren Sopran-Partien die hohen Töne mit einer Klarheit, die einem Brillant gleicht.
von Julia Kuzmina
Die mittleren Lagen ihrer Stimme sind samtig-weich und schmeicheln dem Ohr, wie ein Stück Milchschokolade der Zunge schmeichelt. Ihre Tiefen erreicht kein normaler Sopran, und so fragen sich manche, ob sie nicht ein verkappter Mezzo ist. Sie beherrscht perfekt eines der schwierigsten Dinge im Operngesang: die Piani – die Kunst, die leisen Töne so gefühlvoll und schön ausklingen zu lassen, dass auch dem letzten Zuhörer in der hintersten Reihe der Atem stockt.
Mimi, Violetta, Marguerite – alles gelingt
Victoria kann alle Partien ihres Stimmfaches, doch ihre schönsten Rollen sind diejenigen, die ihren wahren Charakter durchschimmern lassen: Mimi aus Puccinis „La Bohème“, Violetta aus Verdis „Traviata“ und Marguerite aus Gounods „Faust“. Alle sind Frauen, die offenherzig lieben, immer zu sich selbst stehen und Integrität über alles stellen. Victoria verleiht diesen Figuren menschliche Wärme, die das Publikum anrührt. „Sie macht buchstäblich gar nichts, um im gewöhnlichen Sinne des Wortes Effekt zu erzielen… Eine Persönlichkeit, die immer dieselbe bleibt, und doch das Publikum dazu bringt, an ihre Figur zu glauben“, schreibt 1954 ein Opernkritiker.
Die Kunst, rechtzeitig zu gehen
Victoria de los Ángeles beherrscht die Kunst, die den meisten ihrer Zunftkollegen verwehrt bleibt: Den Abgang zur richtigen Zeit. 1961 beschließt sie, den Trubel der Opernbühne zu verlassen. Sie steht konsequent dazu und widmet sich fortan ausschließlich ihrem Lieblingsgenre – dem Kunstlied. Ihre Darbietungen der spanischen Lieder in Begleitung der Pianistin Alicia de Larrocha werden legendär. Der deutsche Opernpapst Jürgen Kesting schreibt ungewohnt pathetisch: „Welche andere Sängerin hätte diese Musik wie sie mit dem Feuer einer innerlich lodernden Leidenschaft zu singen gewusst?“
Stimmgewaltig bei der Olympiade
Nur für eine einzige Rolle macht Victoria eine Ausnahme und kommt wieder auf die Opernbühne: natürlich für Carmen, die einzige Rolle aus den großen klassischen Opernstücken, die durch und durch spanisch ist. Ihre Stimme erklingt auch noch 1992, als sie zum allerletzten Mal im Alter von 68 Jahren bei der Schlusszeremonie der Olympischen Spiele in Barcelona singt. Beim leisesten Zittern in der Stimme würde sie sofort den Laden dichtmachen, sagt sie selbst. Sie wird 81 Jahre alt, am 15. Januar 2005 weint Spanien und die Welt um ihren Opern-Engel.
Stimmgewaltig bei der Olympiade
Nur für eine einzige Rolle macht Victoria eine Ausnahme und kommt wieder auf die Opernbühne: natürlich für Carmen, die einzige Rolle aus den großen klassischen Opernstücken, die durch und durch spanisch ist. Ihre Stimme erklingt auch noch 1992, als sie zum allerletzten Mal im Alter von 68 Jahren bei der Schlusszeremonie der Olympischen Spiele in Barcelona singt. Beim leisesten Zittern in der Stimme würde sie sofort den Laden dichtmachen, sagt sie selbst. Sie wird 81 Jahre alt, am 15. Januar 2005 weint Spanien und die Welt um ihren Opern-Engel.
Die Frau mit dem Strickzeug
In den 60ern übrigens wird Victoria de los Ángeles oft auf der Treppe eines Flugzeuges fotografiert, in derselben Manier wie ihre divenhaften Kolleginnen Maria Callas und Renata Tebaldi. Doch als sie endlich im Flieger sitzt, holt sie ihr Strickzeug hervor – und ist wieder sie selbst.
Porträt von Victoria de los Ángeles: Teil 1
Die Autorin
Julia Kuzmina kommt aus Russland, lebt in Köln, arbeitet im Bereich PR, liebt orientalische Tischkultur und ... gute Klänge aus Spanien.