Eduardo Chillidas "Windkämme" in San Sebastián

Der Klang des Eisens, des Windes und der See

Viele Eisenskulpturen des baskischen Bildhauers Eduardo Chillida (1924-2002) stehen im öffentlichen Raum. Die eindrucksvollsten von ihnen aber sind die "Windkämme" in San Sebastián.

Von Martina Sauerwald

Die baskische Stadt San Sebastián wächst entlang der Muschelbucht wie die Zuschauertribüne eines antiken Theaters. Am westlichen Ende der Bucht, umspült von Atlantikwogen, kragen drei große Eisenskulpturen von Eduardo Chillida aus dem Felsen hervor.

Immer wieder brechen die drei Greifer die hohen Wellen der lebhaften See, Gischt spritzt auf vor tiefdunklem Horizont. Der gebrochene Stein im Dreieck der Skulpturengruppe zeugt vom Kampf der Naturgewalten seit Millionen von Jahren.

Und die rostbraune Spur auf dem Felsen zeichnet die Verwitterung von Corten-Stahl nach.

Hommage an das Baskenland

Chillida hat die 1977 entstandenen "Peines del viento" – "Windkämme" seiner Heimatstadt Donostia, wie San Sebastián auf Baskisch heißt, geschenkt. Es ist eine Hommage an die Bucht La Concha, wo er aufgewachsen ist, und eine Hommage an die Basken, denen er sich zutiefst verbunden fühlte.

"Ich spreche zwar Euskera (Sprache und Schrift der Basken) nicht so gut wie ich es gerne möchte, doch meine Skulpturen, die sprechen Euskera", erklärte er gegenüber dem Schriftsteller Martín de Ugalde.

Chillida liebte diesen Ort. Mit seiner Frau Pilar kehrte er 1951 aus Paris hierher zurück, zu dem dunklen Licht am Atlantik und der heimischen Tradition der Schmiedekunst.

Seine Skulpturen erinnern an die alten, reparaturbedürftigen Ackerbaugeräte der Gegend, die er damals in der Schmiede von Manuel Illaramendi auf dem Boden liegen sah. Und oberhalb der Bucht liegt am Steilhang das Haus, in dem er viele Jahre wohnte.

Bühne für das Schauspiel der Natur

An der westlichen Spitze der Muschelbucht wird das Kräftespiel von ungebändigter Natur und geformten Eisen zu einem unvergleichlichen Schauspiel. Die Tribüne für das Bühnenstück hat der mit dem Künstler befreundete Architekt Luis Peña Ganchegui in Granit gehauen.

Treppenstufen geben der Plattform aus verschiedenen Raumabschnitten Struktur und dienen als Sitzgelegenheit. An der Stelle einer kleinen Flussmündung sind in den rosafarbenen Granitboden sieben Öffnungen eingelassen.

Bei hoher See dringt das Wasser in den darunterliegenden Hohlraum und schießt mit dumpfem Klatschen durch die Löcher in die Höhe.

Das grollende Eisen auf dem Amboss

Unter diesen Öffnungen plante Chillida zunächst auch eine Orgel, die durch die Kraft des Meeres betrieben werden sollte. Aus Rücksicht auf die Anwohner riet ihm der Musiker Luis de Pablo ab, der Klangzauber wäre bei Unwetter nicht zu kontrollieren gewesen.

Auch ohne Meeresorgel verkörpern die "Windkämme" einen musikalischen Dreiklang. Chillida beschrieb die Beziehung seiner Werke zur Musik gerne in einfachen Worten. So bestand der musikalische Rhythmus des geschmiedeten Eisens für ihn auch aus dem Widerhall, der aus den Schlägen des Hammers ertönt und alle Geräusche einfängt.

Das treffende Wort für diesen Widerhall fand er im baskischen "Irrintzi", ein hoher Kehllaut, mit dem sich die Hirten über Hügelketten hinweg untereinander verständigten.

Dem Musikkenner gefiel dieses ursprüngliche Wort, das von wilden Tieren und alten Riten kündet und noch heute gelegentlich auf spanischen Fiestas zu hören ist. Für Chillida klang es wie das Eisen auf dem Amboss.

Triumph der Ingenieurskunst

Für den Amboss sind die "Windkämme" der Muschelbucht freilich zu massiv, jeder einzelne wiegt über zehn Tonnen. Die Vollendung des Werkes sei ein "Triumph lokaler Ingenieurskunst" gewesen, jubelte damals die spanische Zeitung El País.

Die Skulpturen mussten per Hubschrauber eingeflogen werden und José Elósegui konstruierte vor Ort eine schwebende Schienenbrücke über dem Wasser.

Die Anstrengung hat sich gelohnt. Die "Windkämme" von San Sebastián sind zweifelsfrei eines der Hauptwerke des baskischen Bildhauers und sie gelten als hervorragendes Beispiel für Kunst im öffentlichen Raum.

Wer sich aufmacht zur westlichen Spitze der Bahía de La Concha, wo atlantische Tiefausläufer tosende Meereswogen auf die schroffe Küste werfen, wird sich ihrer eindrucksvollen Wirkung kaum entziehen können.

Die Autorin

Martina Sauerwald ist Kunsthistorikerin und hat Ausstellungen kuratiert. Im Urlaub fordert sie mit dem Fahrrad die Alpen und andere Höhenzüge heraus. Sie ist fasziniert vom römischen wie romanischen Erbe der Colonia und bewundert das Wahrzeichen der Stadt, das niemals fertig wird. Den Sisyphos-Mythos hält sie für eine kölsche Erfindung.