Bolivianer in Spanien

In Spanien leben 45 Millionen Menschen, darunter fünf Millionen Migranten. Von ihnen sind 300.000  Bolivianer. Ein rückläufiger Trend, der auch durch Corona entstanden ist

Von Marion C. Schmidt

Spanien und Bolivien verbindet seit 1492 eine komplizierte Beziehung. Die ehemalige Kolonialmacht hat über viele Jahrhunderte großen Einfluss auf Bolivien gehabt.

Auch nach der Unabhängigkeit von 1809 und dem Ausruf der Republik im Jahr 1825 durch Simón Bolívar ist der in vielen Aspekten des täglichen Lebens noch spürbar. Spanisch ist – neben 36 indigenen Sprachen – offizielle Landessprache.

Der Einfluss der katholischen Kirchen war bislang groß. Nicht überraschend, dass Spanien ein populäres Auswanderungsziel für Bolivianer ist. Rund ein Viertel aller Exil-Bolivianer wohnen in Spanien. Es liegt damit hinter Argentinien (38,2 Prozent) auf dem zweiten Platz. Von den zehn Millionen Einwohnern des südamerikanischen Binnenstaats leben also 300.000 in Spanien, weitere 15.000 haben eine doppelte Staatsbürgerschaft. Doch seit der Pandemie stagniert die Zahl nahezu.

Bolivien versus Spanien: eine Bilanz

Die bolivianischen Migrantenströme nach Spanien fluktuieren und stiegen von 140.000 im Jahr 2011 auf einen Höchststand von einer halben Million im Jahr 2006.

Allein zwischen 2006 und 2012 haben 200.000 Bolivianer Spanien den Rücken gekehrt und sind in ihre Heimat immigriert. Die Rückkehrer aus Spanien belegen mit einem Drittel den ersten Platz, vor jenen aus den restlichen EU-Ländern, die zusammen ein Viertel aller Rückkehrer ausmachen.

Die Anzahl der Auswanderungen aus Bolivien stieg seit 2012 um 55 Prozent, der Rücklauf um 53 Prozent. 

Warum kehren so viele Bolivianer Spanien den Rücken?

Die Gründe für den Migrationsrücklauf sind vielfältig, aber auf zwei Faktoren reduzierbar: die Wirtschaftskrise in Spanien und die politische Entwicklung in Bolivien seit 2006, insbesondere durch die Wahl von Evo Morales zum Präsidenten im Jahr 2006, der die Rechte indigener Bevölkerungsgruppen gestärkt hat.

Die linksgerichtete Galionsfigur der sozialen Protestbewegungen agierte, wie schon im Wahlkampf versprochen, gegen den Einfluss von Unternehmen und anderen Nationen in seinem Land.

Morales und seine Partei, die MAS (Movimiento al Socialismo), kämpften aktiv für eine gerechtere Verteilung des Bruttoinlandsproduktes und mehr finanzielle Gerechtigkeit.

Zwar sind die gewählten Methoden umstritten, wie die Legalisierung von Kinderarbeit ab zehn Jahren, aber er erfreut sich in Teilen der Bevölkerung noch immer großer Beliebtheit. Insbesondere im reichen Westen, in Santa Cruz de la Sierra, ist man Morales gegenüber kritisch eingestellt, denn nicht jedem gefällt die Schließung der Schere von Arm und Reich.

Auch die Spanier wandern aus …

In Spanien hingegen treibt die Wirtschaftskrise nicht nur Migranten zurück in ihre Heimat, sondern auch die Spanier ins Ausland. El País berichtete im März 2016, dass sich die Anzahl der Exil-Spanier zwischen 2009 und 2016 mehr als verdoppelt habe.

In Argentinien wohnen 400.000, in Frankreich eine Viertelmillion Spanier, gefolgt von Venezuela mit 188.000 und Deutschland mit 140.000 Iberern.

Die Zahlen erscheinen jedoch im anderen Licht, wenn man berücksichtigt, dass einige Migranten eine doppelte Staatsbürgerschaft haben. Daher ein Blick auf die Urspanier, unter denen die Anzahl der Auswanderer zwischen 2009 und 2016 von 640,000 auf 770.000 gewachsen ist. 

Die Zahlen verdeutlichen: in Spanien und in Europa ist es ungemütlich geworden, während in Bolivien viele strukturelle Veränderungen dem Anschein nach – zumindest für die Rückkehrer – größere soziale Gerechtigkeit und bessere Chancen auf höhere Lebensqualität geschaffen haben. 

Die Autorin

Marion C. Schmidt ist Halb-Bolivianerin und hat ihre Kindheit und Jugend vorwiegend im außereuropäischen Ausland verbracht. Das Magisterstudium (Politikwissenschaften, Geographie und Philosophie) absolvierte sie in den USA und Deutschland. Auf Ihrem Blog finden Sie auch ein paar typisch bolivianische Rezepte.