
Spaniens Soziologe Manuel Castells im Porträt
Spaniens Soziologe Manuel Castells (*1942) ist ein brillanter Gesellschaftsanalytiker. Der „erste Philosoph des Cyberspace“ (The Economist) prägte den Begriff Netzwerkgesellschaft und verfasste eine Trilogie zum Informationszeitalter.
von Evelyn Lischka
Manuel Castells ist ein betagter Wissenschaftler mit krausem Haar, Pausbäckchen und einer liebenswürdigen Aura. Laut Social Sciences Citation Index gehört der eher unscheinbar wirkende Spanier allerdings zu den fünf meistzitierten Sozialwissenschaftlern der Welt. Er war Gastprofessor an 29 Universitäten, darunter in Massachusetts (2004-2009), Oxford (2007-2010) und Santa Clara (2008-2010), hielt Vorträge in 43 Ländern, verfasste 22 Bücher, schrieb an 23 weiteren mit und veröffentlichte über 100 Fachartikel. Ende 2011 bekam er sogar die Ehrenmedaille der Europäischen Akademie.
Das Netzwerk ist die Botschaft
Sein Standardwerk heißt „Das Informationszeitalter“. Darin charakterisiert er eine entstehende globale Gesellschaft namens Netzwerkgesellschaft, die sich auf der Basis digitaler Kommunikationsnetzwerke neu strukturiert. Der Medientheoretiker Marshall McLuhan analysierte schon Mitte des 20. Jhs. die Entstehung der Massenkultur durch TV und Radio und sagte: „The medium is the message“. Nach Castells bewirkt die gegenwärtige Verschmelzung unterschiedlicher digitaler Medien und Medieninhalte nun eine weitere Veränderung. Rund um die interaktive Vernetzung entsteht ein multimediales Kommunikationssystem. Sein Credo: „Das Netzwerk ist die Botschaft“.
Marxistische Stadtsoziologie
Manuel Castells kommt 1942 in Hellín zur Welt, einem Kaff in der spanischen Mancha. Seine konservativen Eltern ziehen ihn in Barcelona auf, wo er 1962 ein Studium der Rechts- und Volkswirtschaft absolviert. Sein Engagement gegen die Franco-Diktatur fällt allerdings dem Geheimdienst auf, und so flieht Castells nach Paris. 1967 wird der Soziologe mit nur 24 Jahren Universitätsprofessor an der Sorbonne und Mitbegründer der marxistischen Stadtsoziologie. Sein Thema ist der soziale Konflikt in modernen Metropolen. 1979 zieht es ihn nach Amerika. Castells lehrt Soziologie und „City and Regional Planning“ an die University of California, Berkeley, und beschäftigt sich zunehmend mit Prozessen und Strukturen der Netzwerk- und Informationsgesellschaft.
Castells zwischen Barcelona und Santa Monica
Anthony Giddens nannte ihn in einem Atemzug mit Max Weber, dem Gründungsvater der Soziologie. Ganz abwegig ist das nicht, denn Castells Anspruch ist es, einen diagnostischen Entwurf der globalisierten Kultur unserer Zeit zu liefern. In Barcelona ist er heute Professor der Universitat Oberta de Catalunya (UOC). Er leitet das Internet Interdisciplinary Institut und hat außerdem einen Lehrstuhl für Kommunikation an der Anneberg School for Communication. Seine aktuellste Veröffentlichung „The Communication Power“ erschien 2009. Castells pendelt zwischen Barcelona und Santa Monica in Kalifornien. Er ist mit der Wissenschaftlerin Emma Kiselyowa verheiratet und hat zwei Töchter.
Wichtige Werke
(Jahreszahl = Erstveröffentlichung)
Communication Power. 2009
Mobile Communication and Society: A Global Perspective. 2006
Die Internet-Galaxy. 2001
Das Informationszeitalter, Bd.3, Jahrtausendwende. 1998
Das Informationszeitalter, Bd.2,
Die Macht der Identität. 1997
Das Informationszeitalter, Bd.1, Die Netzwerkgesellschaft. 1996
The Informational City. 1989
The City and the Grassroots, A Cross-Cultural Theory of Urban Social Movements. 1983
La Question Urbaine. 1972
Weblink zu Manuel Castells