
Nordwestspaniens beste Künstler
Dichter, Denker und Dudelsäcke: Nordwestspanien hat rund um Santiago de Compostela Töchter und Söhne hervorgebracht mit beachtlichem Einfluss auf die spanische Kultur.
Von Tobias Büscher
Diese Galicierinnen! Hammer. Erst schlägt die 24-jährige Fleischersfrau María Pita Francis Drake in die Flucht (1589). Dann setzt sich die 84-jährige Benedicta Sánchez als beste Nachwuchsschauspielerin gegen die junge Konkurrenz durch (2020, Goya für die Rolle im Film „O Que Arde“).
Galegas gelten als ziemlich selbstbewusst. Und eine sticht da besonders hervor: Rosalía de Castro. 1837 kommt sie als Halbwaise in einem Krankenhaus in Santiago de Compostela zur Welt. Die Mutter stammt aus dem verarmten Landadel, der Vater ist Pfarrer. Und Tochter Rosalía denkt gar nicht daran, das zu verschweigen. Mit zwölf schreibt sie erste Gedichte und später Werke wie „An den Ufern des Sar“ und „Witwen der Lebenden“. Auf Galicisch! Was eine Provokation.
Denn dieses Galego gilt im 19. Jahrhundert als Sprache provinzieller Hinterwäldler, die das reine spanische Kastilisch nicht beherrschen. Von ihrem Mann, einem Journalisten, bekommt sie sieben Kinder und lässt sich in der kleinen Stadt Padrón südlich von Santiago nieder.
Das Haus fungiert heute als Museum. Als sie dort 1885 mit 48 Jahren stirbt, kennen ihre Werke nur wenige. Ganz anders ist das heute: Galicische Intellektuelle halten Rosalía für die Mutter der Alma Galega, der galicischen Seele.
An der Promenade Alameda in Santiago ist ein Standbild von ihr aufgestellt. In Buenos Aires auch. Und so ist sie heute sogar berühmter als die feministische Autorin Emilia Pardo Bazán (1851-1921) aus einer wohlhabenden Adelsfamilie aus A Coruña, die in Paris Émile Zola und Victor Hugo kennenlernte und als Vorreiterin des Naturalismus in der spanischen Literatur gilt.


"Endlich der Literaturnobelpreis, verdammt noch mal"
Zurück zu Padrón. Die kleine Stadt der Pfefferschoten (pimientos de Padrón) hat gleich noch einem zweiten literarischen Schwergewicht ein Museum gewidmet: dem Literaturnobelpreisträger Camilo José Cela (1916-2002).
Dessen Großvater hatte die erste Bahnlinie nach Santiago organisiert. Und Cela selbst avanciert zum angesehensten spanischen Literaten seit Miguel de Cervantes.
Man nennt ihn allerdings auch den „Zensierten Zensor“. Grund: Unter Diktator Franco verdient er sein Geld damit, linke Schriften zu schwärzen und zu vernichten. Und später schreibt er mit dem „Bienenkorb“ (La Colmena) ein so provokativ-erotisches Werk, dass nicht eine einzige Seite unzensiert bleibt.
Er veröffentlicht über 70 Werke auf Kastilisch (darunter „Mazurka für zwei Tote“), schläft angeblich mit fast so vielen Frauen wie Julio Iglesias und lebt bis zu seinem Tod mit der 40 Jahre jüngeren Mariña Castaño zusammen, seiner zweiten Ehefrau. Seine Sprache ist zeitlebens düster und ziemlich vulgär. Als er den Nobelpreis im hohen Alter entgegennimmt, brüllt er ins Mikrophon: „Por fin, coño“ ( höflich übersetzt: „Endlich, verdammt noch mal“).


Galicisches Leben, Zunge der Schmetterlinge
Zu den aktuell beliebten Autoren Galiciens zählt der Journalist Manuel Rivas (*1957). Sein wohl bestes Buch ist vom berühmten Kathedralentor von Santiago inspiriert: dem Pórtico de la Gloria. In „Der Bleistift des Zimmermanns“ lässt er den Figurenschmuck dort aufleben.
Der Evangelist wird zum Eisenbahngewerkschaftler, die Ungeheuer zu Franco treuen Folterern. Das ganze spielt im Gefängnis, das bis heute direkt gegenüber der Kathedrale liegt. Noch für ein weiteres Buch ist Rivas bekannt: Für die Shortstory „Die Zunge der Schmetterlinge“. 1999 ist daraus ein hervorragender Film mit gleichem Titel erschienen: La Lengua de la Mariposa. Thema: Der kleine Moncho erlebt in einer galicischen Stadt die Wirren des Spanischen Bürgerkriegs.
Einer der besten Karikaturisten Galiciens wiederum ist Alfonso Daniel Castelao (1886-1950). Der Sohn eines Fischers ist als Arzt auf Geburtshilfe spezialisiert, doch seine echte Leidenschaft sind bissige politische Zeichnungen in Schwarzweiß.
Bereits mit 22 Jahren arbeitet er für die Zeitschrift „Vida Gallega“ (Galicisches Leben). Eines der schönsten Werke des progressiv-nationalistischen Galiciers ist die Karikatur von einer Kuh, die eine Bäuerin füttert und ein Geschäftsmann melkt. Fast ausschließlich in Farbe malte übrigens die galicische Surrealistin Maruja Mallo (1902-1995), eine Art weibliches Pendant zu Salvador Dalí.

Von Dudelsack-Star bis Rockband: Galiciens Musiker
Auch gute Musiker gibt es einige. Von der Rockband Nuevo Plan (nur Liveauftritte und genial) bis zum Eurovision-Sternchen Lucía Pérez, vom legendären Geiger und Komponisten Manuel Quiroga Losada bis zur Volkssängerin Mercedes Peón.
Und die beiden berühmtesten Musiker Galiciens befassen sich mit dem wichtigsten galicischen Instrument, dem Dudelsack: Carlos Nuñez (*1971) und Susana Seivane (*1976). Sie sind international sehr erfolgreich. Zu den Fans von Susana gehört auch der Boxer Xesus Ferreiro. Als der am 2. Mai 2014 den Kampf im spanischen Supermittelgewicht gewinnt, macht er ihr unmittelbar danach blutüberströmt im Ring einen Heiratsantrag.
Sie hat ja gesagt.