Spaniens Muschelsammler aus Galicien

Nordwestspanien lebt vor allem von den Meeresfrüchten. Viele Galicier arbeiten als Muschelsammler, manche von ihnen sogar unter Einsatz ihres Lebens. Ein Bericht über Mariscadoras und Percebeiros.

von Andrea Miß

Burschikos kommt die Muschelsammlerin Marina daher in ihrer olivgrün gummierten Latzhose, die Strickmütze im Stil eines nordenglischen Hafenarbeiters tief in die Stirn gezogen. Es ist früh am Morgen, die wenigen Stunden bis das Wasser ansteigt, muss Marina nutzen, um möglichst fette Beute zu machen. Denn darauf warten Restaurantbesitzer und Gourmets in Barcelona und Madrid.

Knochenjob bei Wind und Wetter

Solange noch Ebbe herrscht, ist Marina mit dem "Raño", einer kleinen Harke, unterwegs im Uferschlamm und seichten Gewässer. Die Abwechslung von Hocken, Bücken und Knien ist anstrengend. Mit steigendem Wasserpegel wird der Gang aufrechter und Marina wechselt auch das Werkzeug: Nun beackert sie den Meeresboden mit Hilfe einer großen Harke mit Metallkorb.

Marina sammelt die Herz- und Venusmuscheln in einem Eimer, den sie auf der Sackkarre hinter sich herzieht. Mehr Automatisierung ist nicht drin. Die Natur gibt traditionell den Rhythmus vor: Die Arbeit muss erledigt werden, auch bei Windstärke Acht. Wenn das Wasser bis zur Achsel reicht, ist die Schicht zu Ende.

Mariscadoras verdienen fünf Euro pro Stunde

Da entschädigt die Gesellschaft der Kolleginnen, die in Rufweite der gleichen Tätigkeit nachgehen. Jüngere bevorzugen Neoprenanzug und Baseballcap als Arbeitskleidung. Richtig gesellig wird es am Mittag, wenn die Frauen am runden Tisch im Hafenkontor ihren Fang sortieren, putzen und für den Weitertransport in Säcke aus gelbem Netz abfüllen. Reich werden die Sammlerinnen dadurch nicht: Die lizenzierten Mariscadoras erhalten einen Stundenlohn von fünf Euro brutto.

Teure Delikatessen: Entenmuscheln

Ihre Kollegen, die Entenmuschelsammler, erzielen leicht das Sechsfache: bis zu 100 Euro pro Kilogramm. Sie arbeiten auf eigene Rechnung. Bis zu sechs Kilo Percebes dürfen sie pro Tag fangen. Genau genommen handelt es sich um Krebstiere, die sich von Plankton ernähren und tief unten am Fels leben.

Gourmets zahlen bis zu 250 Euro für eine Portion Entenmuscheln. Nicht verwunderlich, dass Restaurantbesitzer meist männliche Wilderer mit dem Abschaben der teuersten Delikatesse des Atlantiks beauftragen.

Die Ernte ist nur bei Springtide zu Neumond und Vollmond möglich, es bleiben also nur zwei Tage Fangzeit pro Monat. Die Regierung hat die Küstenabschnitte in Zonen eingeteilt, die offiziell nacheinander abgeerntet werden. So ist die Ernte ganzjährig möglich.

Gefährliche Todesküste

Die Percebeiros ernten mit Hilfe der Ferrada, einer Art Spachtel am Besenstiel. Die Fischer sind zu zweit und seilen sich wie Bergsteiger unter Einsatz ihres Lebens an den Steilhängen ab. Nicht umsonst heißt diese Region Costa da Morte, die Todesküste, denn das Meer hat schon viele Percebeiros und Fischer auf dem Atlantik verschluckt. Weiß getünchte Steinkreuze entlang der Küste zeugen davon. Sie werden jährlich am 1. November von den Hinterbliebenen frisch gestrichen. Bis das Meer auch die Farbe wieder verschlingt.

Die Autorin

Andrea Miß ist Anglistin, Medienwissenschaftlerin und Online-Redakteurin. Nach Auslandsaufenthalten in England und Frankreich war sie viele Jahre in verschiedenen Kölner Verlagen für Bücher und E-Books zuständig.

Weiterführende Links

Rezept Venusmuscheln

Rezept Herzmuscheln

Rezept Entenmuscheln