Weihnachtslotterie: Ganz Spanien auf Millionen-Jagd
Jedes Jahr fiebern am 22. Dezember Millionen Spanier vor dem Fernseher der Ziehung der Lotto-Zahlen entgegen. „Sorteo de Navidad“, die weltgrößte Weihnachtslotterie verheißt hunderten Spaniern, manchmal auch ganzen Städten oder Regionen Millionengewinne.
von Roger Ingenthron
Es ist eine Lotterie der Superlative und in seiner Dimension einzigartig auf der Welt. Für 2015 wird wieder eine Gesamtsumme der ausgespielten Gewinne von über zwei Milliarden Euro prognostiziert, die Übertragung im Fernsehen erreicht regelmäßig Einschaltquoten von 50%. Und das bei einer Sendung die dreieinhalb Stunden dauert. Keine andere Lotterie bringt soviel Reichtum über Städte, Regionen oder auch Vereine, die sich oft das gleiche Los teilen. Möglich macht das ein System, das bereits seit dem Jahre 1812 existiert.
Lotterie finanzierte Krieg
Die spanische Lotterie erlebte ihre Geburtsstunde im Jahre 1763 und wurde ursprünglich zur Finanzierung der Kolonialisierung und der damit einhergehenden Kriege ins Leben gerufen. Italienische Experten rieten damals einem spanischen Minister unter König Carlos III. eine Lotterie durchzuführen. Natürlich noch in ganz anderen Dimensionen. Das Los der ersten Weihnachtslotterie 1812 kostete 40 Real und brachte dem Hauptgewinner 8.000 Pesos, was heute ungefähr 48 Euro entsprechen würde.
Hohe Gewinnchance lockt Millionen Spanier
Heute kostet ein ganzes Los, das billete, groß wie eine Din A4 Seite, 200 Euro, lässt sich aber durch Perforierung auch in zehn „Zehntellose“, sogenannte décimo teilen. Jeder „ganze“ Losschein hat eine feste fünfstellige Losnummer von denen es wiederum 100.000 Varianten gibt. Klingt nach einer niedrigen Gewinnquote, die aber aufgrund der zahlreichen Gewinnvarianten bei erstaunlichen 5,31% liegt. Im Vergleich: Beim klassischen deutschen Lotto beträgt die Gewinnquote 1,9%. Und beim Hauptgewinn, dem sogenannten „Gordo“ liegt die Wahrscheinlichkeit bei nur 1 zu 100.000.
Bewohner ganzer Gemeinden werden zu Millionären
In vielen Verkaufsstellen werden Serien mit den gleichen Losnummern verkauft, was mit sich bringt dass bei entsprechendem Hauptgewinn direkt eine ganze Region einen riesigen Geldsegen erfährt. So wurden in der Arbeiterstadt Leganes südlich von Madrid mehr als die Hälfte der Lose mit der Nummer des „Gordo“ verkauft, was den Losbesitzern der Region einen Gewinn von 360 Millionen Euro bescherte. Auf Teneriffa verkaufte einen Tankstelle Lose an Kunden und Mitarbeiter, die auf einen Schlag insgesamt schlappe 200 Millionen Euro erhielten. Geschichten die das Leben schreibt und Menschen fasziniert.
Aberglaube hilft dem Glück nur scheinbar
Das belegt auch der katalanischen Ort Sort, was übersetzt „Glück“ heißt. Die bekannteste Verkaufsstelle mit Namen La Bruixa d`Or, die Glückshexe, zieht jährlich Scharen von Touristen aus dem In- und Ausland an, die hoffen, in diesem Ort ihr Glückslos zu ergattern. Was auch scheinbar so ist, kommen doch aus diesem Ort überdurchschnittlich viele Gewinner. Dass dies auch aufgrund der erhöhten Verkäufe so sein muss, wird dabei natürlich verschwiegen. Auch glauben die Spanier, dass jedes Unglück ein Glück mit sich bringt. So wird schon einmal ein Todestag als Losnummer gesucht oder auch das Absturzdatum einer Germanwings Maschine. Makabres Glücksspiel.
Längste Lotto-Ziehung mit höchster Einschaltquote
Warum eine ganze Nation am 22. Dezember für dreieinhalb Stunden vor dem Fernseher verbringt und eine Lotterieverlosung als spannendsten Event des Jahres empfindet, erschließt sich aus der Ziehung. Aus einer großen Lostrommel ziehen Kinder der Madrider Schule San Ildefonso eine Losnummer, aus einer anderen Trommel den dazugehörigen Gewinn. Wann der „Gordo“, also der große Hauptgewinn dabei ist, entscheidet der Zufall. Vorher und nachher winken ja auch noch jede Menge fünf- und sechsstellige Gewinne. Schöne Tradition dabei ist auch, dass die Kinder die Zahlen singen. Das weckt Emotion und nimmt der Veranstaltung etwas ihren eigentlich steifen Charakter. Da könnte sich die deutsche Lottoziehung ja einmal inspirieren lassen.Und sind alle Zahlen ausgespielt, berichten Medien im ganzen Land von Tausenden glücklicher Gewinner und Regionen, die plötzlich aus ihrer sozialen Tristesse in Millionärskreise katapultiert werden und das Märchen vom Geldregen wach halten. Der Staat betrachtet dies bestimmt mit einem zufriedenen Lächeln, kassiert er mit dieser Lotterie jährlich ein Drittel der Einnahmen, was sich annähernd im Milliardenbereich bewegt. Und das ohne ein einziges Los zu kaufen. Glück muss man haben.
Der Autor:
Roger Ingenthron lebt bei Köln und arbeitet unter anderem als freier Redakteur für die Nachrichtenagentur APTN (Associated Press Television News). Der leidenschaftliche Musiker blickt außerdem auf eine 30jährige Karriere mit zahlreichen Tourneen durch die ganze Welt zurück und erlebte Spanien immer als ein Land, dass Rock`n Roll besonders leidenschaftlich zelebriert.