Stierkampf in Spanien

Für die einen ist er ein ungleiches Kräftemessen und würdelose Tierquälerei, für die anderen eine Frage choreografischer Ästhetik und faszinierenden Mutes: der Stierkampf. Katalanen haben ihn verboten, Goya und Picasso bewunderten ihn. Almodóvar hat ihn mit Matador auf die Kinoleinwand gebracht. Heute lebt er vor allem in den Stierkampfarenen von Madrid, Pamplona und Málaga weiter. Sol y Sombra also.

von Tobias Büscher

Als er im 18. Jahrhundert in Ronda erstmals nach heute gültigen Regeln ausgetragen wurde, hatte er bereits seinen ersten Helden. Den jungen Pedro Romero (1754-1839) trug das frenetisch klatschende  Publikum auf Schultern aus der heute ältesten Arena Spaniens. Goya portraitierte ihn und Spanien sprach über ihn. Und heute: Selfies beim Stiertreiben in Pamplona ist verboten

vom Kuhtreiber zum Millionär - oder Bettler

Seine Nachfolger wie die Stierkämpfer Joselito (1895-1920) und Manolete (1917-1947) sind nicht selten vom Kuhtreiber zum Millionär aufgestiegen. Sie wurden Projektion vieler Träume.

Und auch wenn spanische Jungs heute eher Plakate von Fußballstars über ihr Bett hängen, hat die Stierkampfschule in Madrid keinen Mangel an Nachwuchs. Dort lernte Julián López Escobar (geb. 1982)  zunächst an gehörnten Schubkarren, als die Konkurrenz auf dem Land sich längst an Jungbullen maß.

Doch schon bald wurde aus Julián El Juli, eine Art Boris Becker des spanischen Stierkampfs. Da er laut Gesetz erst mit 16 Jahren eine Corrida bestreiten durfte, ging er vorerst nach Mexiko und triumphierte schon als 14jähriger in dortigen Arenen. Eine Traumkarriere.

Mehr zur Geschichte des Stierkampfs

Der erste Stierkampf im Jahr

Die Saison des Stierkampfs dauert von Ende März bis Oktober. Vor allem sind die berühmten Arenen in Madrid, Málaga und Pamplona gefragt. Den allerersten Stierkampf im Jahr trägt allerdings ein weniger bekannter Ort im Land aus: Olivenza.

Dort in der Kleinstadt der Extrememadura steigt die erste Corrida im Jahresverlauf bereits am ersten Wochenende des März. Und weil das so ist, reisen auch viele Fans aus den anderen Regionen Spaniens an.

Die Extremadura gehört wie Kastilien und Andalusien zu den Stierkampfhochburgen. In Galicien dagegen ist die Corrida verpönt, auf den Kanaren und in Katalonien rund um Barcelona sogar verboten gewesen.

Bis das Parlament in Madrid den Stierkampf zum Kulturgut erklärte und die Corrida dadurch überall theoretisch wieder möglich ist. So ist der Stierkampf auch ein Politikum und nicht nur eine Frage des Tierschutzes.

Denn dagegen sein heißt oft auch gegen die Zentralregierung in Madrid zu sein.

Berühmte Stiere und Züchter

Die wichtigsten Stierzüchter kommen ebenfalls aus Andalusien, Kastilien und der Extremadura. Dort ist beispielsweise die Zucht von Luis Terrón im ganzen Land berühmt.

Seine Kampfstiere werden drei Jahre alt, bevor sie in die Arena kommen. Sie sind bis zu 10.000 Euro teuer und haben vorher nie einen Probelkampf bestritten. Das wäre zu gefährlich, weil sie ein gutes Erinnerungsvermögen haben.

Ausgerechnet auf dem Gelände des berühmten Stierzüchters Terrón lebt übrigens ein Stier, der kein Toro Bravo, sondern ein braver Toro ist. Silke Büscher von Spanien Reisemagazin hat ihm bei ihrem Besuch im Jahr 2017 sogar an die Hörner gefasst.

Toreras gibt es wenige ...

Für viele aber bleibt der Kampf gegen den 600-Kilo-Koloss in den großen Arenen Madrids und Sevillas ein Traum. Erst recht für die wenigen begeisterten Frauen.

Cristina Sánchez, die einzige erfolgreiche Stierkämpferin in der Geschichte der Corrida, zog sich Ende der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts frustriert aus der Männerdomäne zurück.

Es war den Organisatoren wichtiger Arenen einfach zu peinlich, eine Frau zu berufen.

Der Stierkampf inspirierte Picasso und Almodóvar

Der Stierkampf ist Leid und Faszination. Inspiriert hat er zahlreiche Künstler, von Picasso über Bizet, Hemingway und García Lorca bis Almodóvar. Feldherren wie El Cid, Pizarro oder Hernán Cortés verschufen sich bei den Soldaten Respekt durch erfolgreiche Kämpfe gegen den toro bravo, den “mutigen Stier”.

In der Stierkampfsaison (19. März-12. Oktober) treten in den Arenen an einem Nachmittag drei Matadore gegen insgesamt sechs ausgesuchte Zuchtstiere an: Es sind etwa vier bis fünf Jahre alte - von den Herden völlig abgeschirmte – Tiere, penibel auf Tauglichkeit und Aggressivität geprüft.

Picaderos, Banderilleros und der Matador

Nach dem Einzug der Toreros zum Pasodoble-Marsch reizen ihn zunächst die rote Capa und die Lanzenstiche der berittenen Picadores.

Banderilleros setzen darauf kleine Spieße mit Widerhaken in den Nacken des Tieres, bevor der Matador dem Stier alleine gegenübersteht und ihn nach mehreren Manövern schließlich mit möglichst einem Stich zwischen die Schulterblätter tötet.

Stiere sehen nicht rot

Rot gesehen hat der toro bravo während des Kampfes aber nicht ein einziges mal. Stiere sind farbenblind. Es sind das helle Flattern und die Bewegung, die sie bis aufs Blut reizen.

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