Unser Gemüse, Andalusiens Wassermangel
Knackige rote Paprika, große sonnengelbe Zitronen, saftige grüne Gurken. Wenn wir durch die Frischeabteilung des Supermarktes streifen, bleibt kaum ein Wunsch unerfüllt. Obst und Gemüse in allen Farben und Formen gibt es das ganze Jahr über. Eine Vielfalt mit fatalen Folgen.
Von Eva Maria Albert
Wir haben uns an das üppige Angebot gewöhnt. Auf welchen Wegen die Waren in den Markt unseres Vertrauens finden, interessiert uns mindestens so wenig wie die Kennzeichnung des Herkunftslands. Geschmacksnuancen und Preise bestimmen das Kaufverhalten umso mehr.
Die Nachfrage nach regionalen Produkten ist in den letzten Jahren zwar gestiegen, ihre Verfügbarkeit deckt allerdings nicht unseren Bedarf. Der tatsächliche Preis für die Vielfalt in unseren Theken wird vor allem in Spanien gezahlt, Deutschlands größtem Exporteur für Obst und Gemüse.
Hauptproduzent ist die autonome Region Andalusien. Fast die Hälfte ihrer territorialen Fläche dient der Landwirtschaft. Besonders in der Provinz Almería wächst, was hier auf den Tellern landet.
Über 30.000 Hektar sind dort mit Gewächshäusern aus weißen Plastikplanen bedeckt. Das entspricht der Fläche der Länder Berlin und Brandenburg und verleiht der Gegend auch den Spitznamen "mar de plástico“ - Plastikmeer. Der Bewässerungsbedarf dieser Anbauflächen ist enorm und wird bei allem wirtschaftlichem Umsatz immer deutlicher zu einem Problem für die gesamte Region.
In Andalusien ist der Wassermangel inzwischen so extrem, dass manche Landstriche verwüsten. Neben dem Klimawandel, der für immer höhere Temperaturen und gleichzeitig weniger Regen sorgt, ist die Landwirtschaft eine wesentliche Ursache für die Trockenheit.
Andalusien gräbt sich selbst das Wasser ab
Dem ohnehin dürren Boden wird mehr Wasser entnommen, als der Grundwasserspiegel auf Dauer hergibt. Weil die offiziellen Quellen rar sind, erfolgt die Entnahme immer häufiger über illegal gegrabene Brunnen.
Zwar gibt es Kontrollbehörden, die sich diesem Phänomen annehmen, aber sie kämpfen gegen Windmühlen, da ständig neue Brunnen entstehen. Rechtliche Konsequenzen gab es bislang nur selten.
Bis zu 2000 solcher Brunnen befinden sich auch im andalusischen Nationalpark Coto de Doñana. Zudem gibt es dort zahlreiche wilde Plantagen, die deutsche Einzelhändler vor allem mit Früh-Erdbeeren und Blaubeeren versorgen.
Das Naturschutzgebiet umfasst viele Feuchtgebiete, die durch den steten Wasser-Diebstahl gefährdet sind und mit ihnen ihre große Artenvielfalt. Darunter die vom Aussterben bedrohten Spanischen Kaiseradler und Iberischen Luchse, die in der Doñana einen ihrer letzten Zufluchtsorte gefunden haben.
Die spanische Landwirtschaft ist nicht nur ein Umweltproblem. Sie ist auch mit Menschenrechtsverletzungen verbunden. Die Arbeitsbedingungen der Erntehelfer*innen sind oft inhuman und ihre Lebensumstände in bereitgestellten Unterkünften unwürdig.
Ihr Gehalt liegt deutlich unter dem Mindestlohn. In Spanien sind das 5,94 Euro pro Stunde. Die Arbeiter erhalten jedoch maximal 30 Euro pro Tag.
Deutsche Großkonzerne drücken die Preise
Der Hintergrund für die Existenz dieser beiden Probleme ist jedoch derselbe: der intensive Anbau für den Export. Dabei verlangt der Markt nicht nur nach Masse, sondern auch nach möglichst günstigen Preisen.
Frische Lebensmittel aus Spanien befinden sich zwar auch in Bio-Supermärkten, die Hauptakteure des unerbittlichen Preiskampfes sind jedoch die Großkonzerne. „Die vier größten Lebensmitteleinzelhändler Aldi, Edeka, Lidl und Rewe verfügen heute bereits über einen Anteil von etwa 85 Prozent am inländischen Marktvolumen“, so Oxfam.
Trinkwasser aus dem Tankwagen
Eine Machtposition, die sie bei Verhandlungen rigoros ausschöpfen. Sie drücken die Preise der Lieferanten so lange, bis sie unterhalb der Produktionskosten liegen. Ihren eigenen Kund*innen bieten die Konzerne so das niedrige Preisniveau, auf dem ihr Erfolgskonzept beruht. Eine 500 Gramm-Schale Spanische Erdbeeren wird im Discounter schon für 0,99 Euro angeboten.
Diese rücksichtslose Praxis gefährdet die Existenz der Andalusischen Bäuer*innen. Zudem geht ihnen das Wasser für ihre Arbeit aus. Inzwischen wird es für viele Einheimische auch im Alltag knapp. Ihr Trinkwasser liefern Tankwagen an.
Das Bewusstsein für dieses Problem wächst jedoch nur langsam und die Politik handelt entsprechend gemächlich. Solange die konsequente staatliche Regulierung ausbleibt, können wir zumindest versuchen, beim Einkauf einen Unterschied zu machen: genauer hinschauen, auch mal Verzicht üben und den Kassenbon als Stimmzettel einsetzen.
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