23 F: Das Trauma-Datum der Spanier
Jeden 23. Februar erinnern Spaniens Medien an den Putschversuch im Jahr 1981 durch spanische Militärs und Guardia Civils. Diese hielten vorübergehend das Madrider Parlament mit Maschinengewehren in Schach. Ihr Motiv: Spanien vor den Wirren der jungen Demokratie bewahren.
von Tobias Büscher
Hohe Inflation, 20 Prozent Arbeitslosigkeit, Terror der ETA: Nachdem Diktator Franco 1975 gestorben war, bemühten sich die Parteien aller Richtungen unter Regierungschef Adolfo Suárez, das Land von der Diktatur in die Demokratie zu führen.
Transición nennen die Spanier diesen Prozess. Nach 40 Jahren durften die Spanier erstmals wieder wählen, und das Satiremagazin El Jueves zeigte dazu den nackten Hintern von Königin Sofía auf dem Titel: mit linker und rechter Pobacke. Fall jemand rechts oder links wählen wollte.
1978 kam die heutige Verfassung zustande. Die liberale Zeitung El País war federführend in der Medienwelt und die Spielfilme verloren jegliche Zucht der Franco-Zeit.
37 Einschusslöcher in der Parlamentsdecke
Doch innenpolitisch war die Lage schwierig, die Wirtschaftslage desolat. Und eine kleine Gruppe verschworener Militärs träumte von alten Zeiten. Als Suárez schließlich zurücktrat, stand am 23. Februar 1981 sein Nachfolger Calvo Sotello zur Wahl.
Und genau diesen Moment, um 18.25 Uhr nachmittags, nutzten die Putschisten rund um Oberstleutnant Tejero (siehe Bild) für den Sturm aufs Parlament.
Stundenlang hielten sie die Politiker fest und schossen dabei 37 Kugeln in die Decke. In Valencia solidarisierten sich ranghohe Offiziere mit dem Anschlag.
Doch dann sorgte der noch junge König Juan Carlos für seinen größten Auftritt. Statt wie von den Putschisten erhofft ihre Position einzunehmen, zog er seine Uniform an und hielt im Fernsehen minutenlang mit staatstragender Miene ein Plädoyer für die Demokratie.
Die Putschisten gaben schließlich auf und es zeigte sich später, wie dilettantisch sie vorbereitet waren. Tejero selbst kam als letzter von ihnen erst 1991 aus dem Gefängnis.
Die Szene seines Auftritts mit Pistole vor den Parlamentariern symbolisiert das größte Trauma in der Geschichte der spanischen Demokratie. Die Kameraaufnahmen dazu hat der TV-Sender RTVE online gestellt.
Weißer Elefant?
Inzwischen hat längst Sohn Felipe das Zepter von Juan Carlos übernommen. Doch der König außer Diensten sorgt immer noch für Schlagzeilen.
2014 übrigens kam es ganz Dicke: Königsbiographin Pilar Urbano präsentierte ihr Buch La Gran Desmemoria alias Das große Vergessen.
Darin nennt sie den damaligen König Juan Carlos einen Weißen Elefanten, der zunächst selbst den Putsch befürwortet habe. Unterzeile des Titels: Was Suárez vergaß und woran sich der König besser nicht mehr erinnert.
Auf die Knie? Niemals
Spanier diskutieren ja gerne, wer ein echter Kerl ist. Tienes cojones heißt soviel wie Hast du Eier. Als die Guardia Civil in die Decke schossen, warfen sich fast alle Politiker auf den Boden.
Lediglich drei blieben demonstrativ stehen. Der alternde Vizepräsident Gutiérrez Mellado, sellbst ein Militär, versuchte die bewaffneten Männer sogar aufzuhalten.
Als die ihn zu Boden drücken wollten, half ihm der zurückgetretene Adolfo Suárez, beruhigte ihn und brachte ihn dazu, sich wieder auf den Stuhl zu setzen.
Und noch einer ging demonstrativ nicht zu Boden: Santiago Carrillo, der Chef der Kommunisten. Damals mag Suárez stark in der Kritik gestanden haben.
Vor allem weil er unter Franco ein wichtiger Funktionär war. Heute lieben ihn die Spanier für sein politisches Geschick . Sogar der Flughafen von Madrid ist nach ihm benannt.
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