Spaniens Verfassung von 1978

Spaniens Verfassung trat vor 40 Jahren in Kraft. Das markiert den Höhepunkt der Übergangszeit von der Diktatur Francos zur Parlamentarischen Monarchie im Land. Wir haben für Sie den Ort besucht, wo einst die Verhandlungen stattfanden. Und beschreiben, wie die Constitución wieder zum Politikum geworden ist.

von Tobias Büscher

Sieben Männer hatten sich nach Francos Tod 1975 in einem abgelegenen Parador westlich von Madrid zusammengefunden, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Darunter der ehemalige Franco-Minister Manuel Fraga Iribarne, Gabriel Cisneros von der bürgerlichen UCD und der unter Franco im Untergrund lebende Kommunistenchef Jordi Solé Tora.

Heute gelten sie als die Väter der spanischen Verfassung. Und damals hatten sie den Ort sehr bewusst ausgesucht. Das Haus der Verhandlungen hatte 1928 König Alfonso XIII als erste staatliche Unterkunft mit fließendem Wasser in den einzelnen Zimmern eingeweiht. Premiere im Land. Alfonso musste später den Thron aufgeben wegen der neuen 2. Republik.

Hier tagten die Putschisten vor dem Bürgerkrieg 1936 bis 1939. Und hier in der entlegenen Sierra de Gredos arbeiteten die einst verfeindeten Männer eine Verfassung aus, die später sogar Politikern wie Gorbatschow als Inspiration dienten.

Spaniens Verfassung, gültig seit dem 29. Dezember 1978, hat nicht nur bei ihm für viel Beifall gesorgt. Die einst verfeindeten Lager der Konservativen und Linken hatten es tatsächlich geschafft, eine damals für alle Seiten akzeptable Lösung zu finden. Und das in der schwierigen Phase der Transición

Besonders wichtig im Anschluss: Verbrechen aus der Zeit des Bürgerkriegs und der Francodiktatur durften durch das sogenannte Amnestiegesetz nicht mehr juristisch verfolgt werden.

Damit sich nicht halb Spanien gegenseitig anzeigt. Was damals gut gemeint war, hat allerdings auch das gesellschaftliche Aufarbeiten der Diktatur geschwächt. Ein Beispiel dafür ist der damalige Streit um die Verlegung der Gebeine Francos aus dem gigantischen Mausoläum Tal der Gefallenen.Wer den inzwischen 90 Jahre alten Parador heute besucht, sieht in der staatlich geführten Unterkunft noch die Dokumente dieser Zeit, darunter die Unterschriften der sieben Männer.

Wisset Ihr, das Volk hat die Verfassung ratifiziert

Auf dem Deckblatt der Verfassung steht ganz oben der Name des Königs Juan Carlos, dem Vater des heutigen regierenden Monarchen Felipe. Die Constitución ersetzte die Vorgängerversion aus der 2. Republik von 1931 und hat einiges von der Weimarer Verfassung übernommen.

Eine Besonderheit sind vor allem die Autonomierechte für die Regionen Galicien, Baskenland und Katalonien. Wie auf dem Titelblatt auch sichtbar ist, haben das Abgeortnetenhaus, der Senat und das Volk der Verfassung mehrheitlich zugestimmt. Vor allem die damals noch junge Zeitung El País legte sich dafür ins Zeug und ermahnte die Leser zur Zustimmung

Die Verfassung heute

Bei unserem Besuch 2018 wirkte der historisch so wichtige Parador fast verloren in der Hochebene namens Gredos, wo mehr Steinböcke leben als Menschen.

Und die politischen Kämpfe rund um die Verfassung finden natürlich woanders statt. In Andalusien, wo seit 2018 erstmals eine ultrarechte Partei ins Parlament gewählt worden ist mit Namen VOX. Eine solche Partei wäre vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen.

Sie pocht mit Nachdruck auf die Verfassung und stellt sich gegen katalanische Separatisten. In Katalonien, wo die Unabhängigkeitsbestrebungen völlig im Widerspruch zur spanischen Verfassung stehen, sehen sie das natürlich ganz anders.

Und in Madrid beruft sich der aktuelle Regierungschef Pedro Sánchez ständig auf eben diese Constitución, sobald die Independistas in Barcelona mal wieder ihre Stimme erheben. Nicht als Ultrarechter, sondern als Chef der Sozialisten.

Zum 40. Jubiläum haben sich seine Vorgänger nun im Parlament zusammengefunden. González, Aznar, Zapatero und Rajoy würdigten ihre Zusammenarbeit mit König Juan Carlos. Gut für ihn, der den Thron an seinen Sohn übergab, als sein Image wegen einer Geliebten und Schüsse auf Elefanten entgültig am Boden war.Übrigens.

Eigentlich sollte die Verfassung schon am 28. Dezember 1978 in Kraft treten. Doch die weisen Väter verlegten den Termin um einen Tag. Denn der 28. ist der "Día de los Innocentes", also der Tag der Unschuldigen. Und an dem veräppeln sich die Spanier wie wir am 1. April. Etwas ungeeignet für das Inkrafttreten eines neuen Gesellschaftsvertrags.

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