Jenseits von Ávila
Vor 90 Jahren war König Alfonso XIII westlich von Ávila mit seinem 50 PS starken Hispano Suiza unterwegs, eröffnete dort den ersten Parador Spaniens und genoss die Bergluft. Auf den Spuren seiner Majestät geht es hier zu den kastilischen Juwelen Sierra de Gredos, Ciudad Real und Tordesillas.
von Tobias Büscher
Wer von Madrid aus an Ávila vorbei in den Nordwesten Kastiliens reist, sieht Steineichen, Granit, Rinderweiden, Weizenfelder und Wehrburgen. Und merkt schnell: Das Gebiet ist nur spärlich besiedelt.
Stichtag 9. Oktober 1928
42 Millionen Spanier leben an der Küste und in Madrid. Nur 4,2 Millionen im Landesinnern. Der Tourismus ist ebenfalls entsprechend verteilt. Für Abenteurer und echte Spanienfans ist das kastilische Kernland genau deshalb so attraktiv.
In der Region Kastilien-León, von der Fläche her größer als Portugal, steht einsam gelegen ein Haus.
Der Parador von Gredos. 2,5 Autostunden liegt es heute westlich von Madrid. Der König brauchte damals aber noch einen ganzen Tag für die Anreise in seinem spanischen "Rolls Royce", denn Asphaltstraßen und Tunnel gab es noch nicht.
Vor Ort treffen wir Alejandro Nedstrom, Sales Manager der staatlichen Unterkünfte. Und der weiß: Vor 90 Jahren entstand hier in der Sierra de Gredos das erste Hotel Spaniens mit fließend warmem Wasser im eigenen Zimmer.
Heute organisiert der Mann mit skandinavischen Wurzeln von Madrid aus fast 100 Hotels mit 10.000 Betten. In Burgen, Klöstern und eben diesem einstigen Jagddomizil.
Und er kann sich vor Anfragen lokaler Bürgermeister kaum retten, ob ihr verfallenes Kloster um die Ecke nicht auch zur Kette gehören könne.
Putschisten im Parador
Der Gredos-Parador hat schon alles mögliche erlebt. Ein US-Amerikaner kam hier zur Jagd. Er schoss einen Steinbock und zahlte dafür 20.000 Euro. Als Waffe nutzte er Pfeil und Bogen.
Dann wieder war da der Scheich, der mit seinen vermummten Gemahlinnen in der Sierra auf die Jagd ging. Wie zu hören ist, brachten alle ein Geweih mit zurück. Wie einst König Alfonso.
Den übrigens kennen alle Kinder. Als Alfonso noch klein war, schenkte ihm ein Geistlicher die Geschichte von Ratoncito Pérez, der Zahnmaus. Der Junge hatte seinen Vater schon kurz vor seiner Geburt verloren. Und brauchte damals viel Liebe.
Als er dann später den Parador von Gredos einweihte, gab es eine riesen Party mit 50 erlauchten Gästen, die sich die damals 10 Zimmer teilen mussten. Von denen ahnte wohl keiner, was sich in dem Gebäude bald noch so alles zutragen sollte.
1935 trafen sich hier Anhänger Francos und verabredeten einen Putsch gegen die junge Republik. Alfonso war bereits im Exil.
Das war die Initialzündung für drei Jahre Bürgerkrieg und über drei Jahrzehnte Diktatur. Fotos von dem konspirativen Treffen gibt es nicht.1978 kam es dann zur nächsten Verabredung.
Vertreter des linken und rechten Lagers unterzeichneten hier im Haus die neue rechtliche Grundlage ganz Spaniens. Das war der Beginn der heutigen Parlamentarischen Monarchie.
Bei diesem Treffen waren Fotos natürlich erwünscht. Wie dieses hier, das in einem der Aufenthaltsräume hinter Glas steht:
Selfie mit Ritterrüstung: Ciudad Rodrigo
Weiter geht es Richtung Ciudad Rodrigo. Zunächst durch weitgehend unbewohntes Land. Vorbei an Steineichen, die immer wieder einen Rückschnitt bekommen, um in die Breite zu gehen.
Und deren Äste bestes Grillholz sind, was kaum qualmt. Mit Vorliebe nutzen die Kastilier es für das Kalbfleisch Chuletón de Avila. Unter den Eichen liegen die Schweine, inzwischen nicht mehr bewacht von Hirten.
Dabei hatten die Männer einst eine clevere Idee. Sie führten die hungrigen Tiere erst zu den Bäumen mit den bitteren Eicheln. Dann zu den süßeren. Denn erst süß und dann bitter geht auch bei Schweinen gar nicht.
Die Kleinstadt selbst hat trotz ihrer sagenhaft schönen Burg und den Mauern selten deutschsprachige Besucher. Obwohl der Ort sogar schon mal im Programm von Aldi Reisen war.
Und dort immer mal wieder Filme entstanden, darunter eine Komödie über kickende Mönche im Fußballrausch. Titel: Que baje Díos y lo vea (Gott möge kommen und sich das ansehen).
In ihrer Geschichte kamen allerdings vor allem ungebetene Gäste. Der Ort 30 km von der portugiesischen Grenze entfernt hat mehr als ein Dutzend Schlachten hinter sich, darunter eine dreimonatige Belagerung durch französische Truppen.
Candelario
Zwischen Gredos und Ciudad Rodrigo liegt das Dorf Candelario. Auf dem Balkon ruft mir die 90jährige Merce zu: "Aha, ein Deutscher. Vor wenigen Wochen sind hier die Radprofis bei der Spanienrundfahrt direkt unter meinem Balkon hergefahren. Ich hätte denen auf den Helm spucken können".
Candelario ist für seinen Schinken berühmt, und hat damals sogar den Königshof in Madrid beliefert, siehe Bild von Francisco Goya.
König Alfonso XIII hatte nach der Gründung des ersten Paradors die Burg in Ciudad Rodrigo schon als Folgeparador geplant. Doch als er in den 30er Jahren rund um den Ehrenturm entstand, war seine Majestät aufgrund der II. Republik bereits im Exil.
Dafür gehörten Delegierte der Nationalsozialisten zu den ersten Besuchern, um hier internationale Verbindungen zu sondieren. Heute sind vor allem Spanier von den Gemächern hinter dicken Mauern begeistert.
Wer durch Ciudad Rodrigo flaniert, kommt vorbei an der Kathedrale und an einigen Kuriositäten. In der Bar Los Arcos waren früher die Diebe und Mörder eingesperrt.
Und im Restaurant El Sanatorio hängen so viele Stierbilder an der Wand wie Geweihe im Schwarzwälder Restaurant Zum Hirschen. Klasse ist auch das Postamt in einem alten Herrenhaus mit Kachelschmuck und einem Hauch Jugendstil.
Siega Verde
Bilder aus der Altsteinzeit gibt es in Spanien nicht nur in Höhlen wie der Altamira und Tito Bustillo. 17 km von Ciudad Rodrigo entfernt haben die Bewohner vor 15.000 Jahren unter freiem Himmel Pferde und Wölfe in den Schiefer geritzt.
Die Anlage Siega Verde steht unter Denkmalschutz, ebenso wie der nahe Turm zum Messen der Wasserqualität. Hier wurde einst Uran abgebaut.
Tordesillas: Von Päpsten und Paparazzi
Krönender Abschluss der Tour ist Tordesillas, ein Städtchen am Duero Fluss auf der kastilischen Hochebene. Es ist heiß hier, auch im Oktober. Und heiß her ging es hier in den letzten Jahren.
Auf dem Hauptplatz treffe ich Pedro, Carolina und Alfredo. Wir reden lange.
Nicht etwa über den Vertrag von Tordesillas, bei denen Spanier und Portugiesen kurz nach der Entdeckung Amerikas unter Moderation des Papstes ganz Lateinamerika untereinander aufteilten.
Auch nicht über Johanna die Wahnsinnige, die hier als eigentlich erste rechtmäßige Königin Spaniens jahrzehntelang in einem Palast eingesperrt war.
Ob aus innenpolitischen Motiven, oder weil sie wirklich gaga im Kopf war. Den dreien geht es um einen Shitstorm, der unlängst über die knapp 9000 Einwohner fegte.
Seit 1355 schon haben sie ihr Stierfest gefeiert, bei dem ein Toro durch Lanzen zu Tode kam. Nichts ungewöhnliches in Kastilien, aber dank der Journalisten und Tierschützer war der Ort plötzlich so berühmt, dass Journalisten das Ufer belagerten, im Minutentakt über das Ereignis informierten und dadurch jede Menge Schaden anrichteten.
Die FAZ schrieb damals sogar: Der peinliche Stier der Sozialisten. Alfredo sagt dazu: "Wir stehen hier alle zu dem Fest, ob links oder rechts."Inzwischen, erzählen mir die drei, hat die Regionalregierung von Kastilien León das Töten des Stiers beim Fest verboten.
Und deshalb kommt kein Kameramann mehr, kein Fotograf, kaum ein Reporter. Carolina resümiert: "Was wollten die eigentlich alle von uns, die Journalisten und Weltverbesserer? Hat die Weltöffentlichkeit denn keine anderen Probleme, als sich über ein totes Tier aufzuregen?"
Es ist wieder Ruhe eingekehrt in Tordesillas. Und vor dem gusseisernen Stier am Ortseingang steht wie symbolisch ein Stoppschild.
Übrigens hatten Tierschützer 2015 sogar Papst Franziskus im fernen Rom ersucht, die "Tierquälerei in Tordesillas" zu beenden. Doch diesmal moderierte der Vatikan nicht.
Aber ich komme wieder. Auf den Spuren dieses Königs, dem Mann mit der Zahnmaus. Und dann sehe ich sie hoffentlich wieder. Die alte Frau im Dorf und das Trio aus Tordesillas zum Bier.
Wunderbar, diese Welt jenseits von Ávila.
Infos zu den Paradores
Die Karte rechts zeigt die Lage vom Parador de Gredos (1), Ciudad Rodrigo (2) und Tordesillas (3). Die dortigen Paradore lassen sich bei Olimar ganz einfach auch auf Deutsch buchen.Während der Parador von Gredos abgelegen in der Sierra liegt, bietet Ciudad Rodrigo viel Architektur inklusive Kathedrale und Marktplatz. Tordesillas wiederum hat gute Museen zur Geschichte Kastiliens und der Entdeckung Amerikas. Mit einigen Landkarten und Palastmodellen. Und in beiden Orten steigt im Oktober ein Mittelalterfest.
Parador von Gredos
Berghotel mit bester Luft. Dadurch sehen die Gäste auf dem Dach die Sterne besonders klar. Weit und breit keine Bar oder Taverne. Vielleicht auch deshalb ist das Restaurant hier besonders gut (Tipp: Chipirones, gefolgt von Cochinillo). Die Tageszeitung kommt erst gegen Mittag. Beliebte Unterkunft vor allem bei Madrilenen, die hier wandern, Tiere beobachten und sich vor allem von der Stadtluft erholen. Zu den Vögeln vor Ort zählen Wiedehopf, Schwarzstorch und Wanderfalke.
Parador Ciudad Rodrigo
Rustikal mit Ritterrüstungen eingerichter Parador innerhalb der Burganlage. Die Küche ist ok, der Ausblick vom Turm super. Und wer Shoppen will oder mal eine Bar besuchen möchte, ist hier von allen drei Paradores am besten aufgehoben.
Parador Tordesillas
Moderner Bau mit wunderbarem Pool. Wenige Gehminuten vom Stadtkern von Tordesillas entfernt. Die Zimmer sind sehr komfortabel. Ein Plus den anderen Paradores gegenüber ist der riesige Pool, wobei auch der von Gredos bald einen bekommen soll. Tordesillas liegt direkt am Duero. So ist man auch an der Weinquelle. Von hier aus lohnen sich Ausflüge nach Valladolid (30 km) und zu den Bodegas. Neben Rotwein sind hier auch die Rueda-Weißweine gefragt.