Auf Schatzsuche: Spaniens verlassene Dörfer
Abseits der Touristenpfade gibt es noch ein anderes, viel wilderes Spanien: Die Aldeas Abandonadas, verlassene Dörfer. Entstanden durch Wirtschaftskrisen und Landflucht, führt dies zu einer neuen Form des Kulturtourismus.
von Tanja Knieps
Teils von den Landkarten verschwunden, fängt bereits mit der Suche nach verlassenen Dörfern die Entdeckungsreise an. Vor allem in Galicien, Katalonien und Asturien liegen diese pueblos: In den Pyrenäen sind es die Ruinen der verlassenen Weiler - der Mas - des Hoch-Aragón. Wild-West-Kulisse pur.
Sogar eine Pyrenäenkarawane im Westernstil haben die Bergbewohner dort schon veranstaltet, aus Frauenmangel. Entlang des Jakobswegs sind die plötzlich auftauchenden verfallenen Häuschen auffällig, die sich wohltuhend von den Pilger-Herbergen unterscheiden.
In die kleinen Oasen der Ruhe wie Escó (Aragón), versteckten Plätzen zwischen Tosantos und Villafranca Montes de Oca, Rabanal del Camino, Foncebadón, Manjarín und Ponferrada (Kastilien) oder Mondoñedo und Lousada (Galicien) verirren sich Touristen nur selten.
Auch abseits des Festlands gibt es sie. Auf der Kanareninsel La Gomera sind im Umkreis von Jerduñe gleich drei ehemalige Dörfer zu Fuß zu erreichen. Morales, auf einer einsamen Hochebene gelegen, die aus einem Fels geschlagenen Ruinen von Tacalcuse und Casa Contreras.
Seltsame Lichter und Klänge ...
Spanien kann feiern, ist laut und bunt. Nicht nur. Das Land hat auch eine wilde Natur, die leise flüsternd Geschichte erzählt. Die sich ihren Platz zurückerobert, wo die Menschen ihn wieder freigegeben haben. Die Steinruinen haben sich wie Zeugen des Altertums in die Landschaft eingefügt.
Eine tiefe Ruhe erfasst jeden, der sich auf das Gefühl einlässt, allein auf der Welt zu sein. Die märchenhafte Schönheit der zerfallenen, überwucherten Häuser, Kirchen und Gassen versetzt in eine andere Zeit. Oder in mystische Filmwelten.
La Mussara in Tarragona am spanischen Mittelmeer gilt unter Eingeweihten als Tor zu einer Parallelwelt. In dem verlassenen, immer von dichtem Nebel umgebenen Dorf sollen Besucher stundenlang herumgeirrt sein, die ihnen selbst nur wie einige Minuten erschienen.
Paranormale Phänomene in Form von seltsamen Lichtern oder Klängen aus dem Nichts wurden auch in Ochate (Burgos/Kastilien) beobachtet. Wissenschaftlich bewiesen ist davon nichts, das lässt viel Raum für eigene Phantasie und Erforschungen.
Zukunft Kultur-Tourismus
„Lost Places“ sind inzwischen auf der ganzen Welt beliebt: bei Archäologen, Historikern und jungen Reisenden auf der Suche nach vergessenen Orten. Ihr Ziel: das Ursprüngliche entdecken, auf Abenteuer gehen, und das komplett frei vom Pauschalurlaub.
Geschichte zum Anfassen also, ohne Hinweisschilder der künstlichen Kulissen von Freilicht-Museen.Auch neue Lebensmodelle erschließen sich in einst heruntergekommenen Orten. Künstlerkolonien wie Genalguacíl (Andalusien) oder Vilafamés (Valencia) sind entstanden.
Architekten in Katalonien bekommen schon mal ein ganzes Dorf zum Umbau in Auftrag, inklusive verfallenem Kirchturm. Die naturverbundene Freiheit lockt immer mehr Menschen an, und so sind schon ganze Öko-Dörfer wie in Lakabe (Navarra) und Matavenero und Poibueno (Kastilien) aus den Ruinen entstanden.
Für Spanien ein spannender Ausblick in die Zukunft. Ob Hobby-Archäologen, Abenteurer oder Sinnsuchende, hier wird jeder fündig. Und wem ein Urlaub nicht reicht - einige der Dörfchen stehen sogar zum Verkauf.
Die Autorin
Tanja Knieps war in den letzten Jahren als PR-Fachwirtin in Köln und Berlin tätig und wechselt nun (auf) die (Online-)Seiten. Ihr ständiges Fernweh lebt sie in ihrer Leidenschaft für Reisen und Dokumentationen aus.