Kochkunst der Pyrenäen
Die Küche der Pyrenäen bietet viel: Beiderseits des Pyrenäenkamms sind vor allem im Hochgebirge deftige Eintöpfe, Schafskäse, Wild und Forellen beliebt.
von Tobias Büscher
Die Küche der Pyrenäen ist so vielfältig wie die Natur. Im französischen Baskenland stehen Austern, Trüffelpilze, Gänseleberpastete und Pfefferschotenomelette (piperade) auf jeder guten Speisekarte, besonders an der Küste. Dort sind auch gegrillter Thunfisch und gebratene Sardinen beliebt. Überall erhält man poulet à la basquaise, ein mit Tomaten, Paprika und Zucchini geschmortes Huhn.
Die Kräuter der Pyrenäen verzaubern jedes Gericht
Eine Variante aus Bayonne, poulet a la bayonnaise, besteht aus Hühnerfleisch, Petersilie, Thymian, Zitrone und Rotwein. In Pfirsich-Sauce wird fein geschnittene Entenbrust (magret de canard) angerichtet oder etwa eine schmackhafte Fleischpfanne aus geschmortem Rind, Pfefferschoten aus Espelette, Salz, Pfeffer und einer Zwiebel (axoa aux piments d’Espelette). Taube wiederum gibt es in Champignons, Karotten und Armagnac.
Das Rendezvous der Sinne wird mit einer kleinen Vorspeise, etwa mit rohem Bayonneschinken oder einer Fischsuppe (ttoro) aus Miesmuscheln, Krabben und Stockfisch eingeleitet. Zum Nachtisch gibt es gâteau basque, einen trockenen Mandelkuchen, der häufig mit Kirschmarmelade gereicht wird. Köstlich ist gaztambreda aus Ziegenkäse, Walnüssen, Rosinen und Honig.
Starkochs aus San Sebastián
Auf spanischer Seite rühmen sich die Köche von San Sebastián, die besten im Land zu sein. Hier sind kokotxas eine Spezialität, Kiemenbacken vom Kabeljau oder Seehecht. Auch Stockfisch in Öl und Knoblauch (bacalao al pil pil), gebratene Glasaale (angulas a la bilbaína), gegrillte Seebrasse mit Knoblauch und Zitrone (besugo a la donostiarra), oder pisto a la Vizcaína, ein Gemüsegericht aus Tomaten, Zucchini und grünem Paprika findet man auf der Speisekarte.
In den Bergen stecken sich Hirten kleine Knoblauchwürste (loukinkos) in die Tasche – für den Hunger zwischendurch. Machos in der KücheMarzipanleckereien oder Kekse mit Creme (goxua) runden als Nachtische das Vergnügen ab. Die Köche im spanischen Baskenland entpuppen sich am Herd übrigens als Machos.
Kochen ist hier Männersache und Frauen dürfen oft weder an den Herd, noch an den Gelagen der Kochklubs (sociedades gastronómicas) teilnehmen.
Navarra und seine Forellen
Im benachbarten Navarra werden Forellen fast immer mit Schinkenscheiben eingelegt und mit Petersilie gebraten (trucha a la navarra). Einfache Hausmannskost sind calderete, ein Gemüse-Eintopf, oder migas al pastor, ein Gericht aus gerösteten Brotwürfeln, Gewürzen und Schmalz.
Auf der Zunge zergehen Rebhuhn in Schokoladensauce oder Taube in Rotwein mit frischem Gemüse. Hauptspeisen reicht man gern mit Spargel, den kleine Familienbetriebe im Süden von Navarra anbauen. Als Nachtisch hat man die Wahl zwischen gefüllten Kuchen (bizcochos rellenos), das auch in Mallorca beliebte Hefegebäck (ensaimadas) oder würzigen Käsesorten.
Empfehlenswert ist idiazábal, ein Schafskäse, der mindestens zwei Monate mit Buchenholz geräuchert wird.Auch in Aragón gibt es die gerösteten Brotwürfel migas al pastor, die hier jedoch gelegentlich mit Trauben und kleinen Hartwurststücken (bispo) verfeinert werden. Die Küche von Aragón ist besonders einfach und nahrhaft.
Lammgerichte sind sehr beliebt, ob als Braten (ternasco) oder am Spieß (ternasco asado). Dazu gibt es grünen Salat mit grob geschnittenen Tomaten, Zwiebeln, Oliven und Spargel.
Deftige Gemüsesuppen aus dem Gebirge
Eine deftige Gemüsesuppe (sopa roya) oder Knoblauchsuppe (sopa de ajo) regen als Vorspeise den Appetit an. Auch pollo al chilindrón ist köstlich, Hähnchen in einer Sauce aus Tomaten, Zwiebeln und Paprikaschoten.
Zum Nachtisch gibt es kandiertes Obst aus dem Ebro-Tal und guirlache, eine Süßigkeit aus Mandeln und Karamell.
Kataloniens Köche stehen auf Süßsalziges
Im spanischen Katalonien ist die Küche wesentlich variabler und fantasievoller. Hier werden Fisch aus dem Mittelmeer, Rinder aus der Region um Girona, Würste (butifada oder die dünnere fuet) aus Besalú, Wildschwein aus der Gegend um La Seu d’Urgell und Pilze aus dem Vulkangebiet Garrotxa oft mit beachtlichem Geschick zubereitet.
Süßes mit Salzigem kombinieren Kataloniens Köche besonders gern, sei es Zicklein mit Birnen oder Langusten mit Rosinen und Pinienkernen. Schlicht fällt dagegen die Vorspeise aus. Oft steht Brot (pà) mit Knoblauch und Tomaten schon auf dem Tisch. Das Brot wird mit Knoblauch und der aufgeschnittenen Tomate eingerieben und mit Olivenöl beträufelt.
Beliebt ist zarzuela – ein Eintopf aus Fisch und Meeresfrüchten, oder – vereinfacht – suquet als Fischeintopf aus Fischresten, Kartoffeln und Tomaten.
Allioli überall
Überall erhält man die Knoblauchmayonnaise Aioli und das wegen der Tintenfische pechschwarz gefärbte Reisgericht arròs negre. Schmackhaft sind auch Huhn mit Languste (pollastre amb llagosta) oder auf Holzkohle geröstetes und gewürztes Lamm, Rebhuhn oder Kaninchen (carn a la brasa).
Als Nachtisch bietet fast jedes Restaurant crema catalana an, eine Puddingcreme mit karamellisierter Zuckerschicht, den etwas einfacherern, aber ebenfalls oft hausgemachten Pudding (flan) sowie Frischkäse mit Honig (mel i mató).
Kochkunst in Andorra und dem Roussillon
Die katalanische Küche hat die Speisen Andorras und auch des nördlich gelegene Roussillons beeinflusst. Und so gibt es auch dort Süßsalziges wie Rebhuhn in Orangen, Öl und Knoblauch (perdreau à la catalá), Fisch-eintöpfe mit Kartoffeln (boullinade) sowie escudella aus Hammelfleisch und Porree.
Als Gewürze dienen häufig Lorbeer, Thymian und Rosmarin. Eine Philosophie für sich ist das cassoulet, ein Eintopf mit unterschiedlichsten Zutaten, wobei Ente oder Gans, Wurst und Bohnen als Grundlage dienen. Beliebt sind auch Muschelragout, Pasteten, gegrillte Garnelen und im eigenen Fett eingelegtes Entenfleisch.
Fisch und Krustentiere an den Küstenausläufern der Pyrenäen
An der Küste dominieren Fisch und Krustentiere die Speisekarte. In Collioure sind Anchovis (Sardellen) die Vorspeise und in Perpignan kann man spanische und nordafrikanische Gerichte probieren. Je weiter man in Frankreich nach Westen kommt, um so beliebter wird Enten- und Gänsestopfleber (foie gras de canard bzw. foie gras d’oie).
Geflügel wird auch im eigenen Fett (confit) angeboten, beispielsweise in der Ariège, wo confit de canard eine durchaus preiswerte Mahlzeit ist. Das gilt auch für den Gemüseeintopf azinat mit Schweinefleisch und für die bunten Salate mit Entenstreifen und Nüssen.
In Frankreich gelingt die Zubereitung von Salaten ohnehin viel besser. Die croustade ist eine herzhafte Blätterteigpastete. Lange gereifter Kuh- und Schafskäse aus der Umgebung von Foix schließen den Magen.
Gemüsesuppen der südfranzösischen Pyrenäen
Im Bigorre und im Béarn, vor allem in Oloron-Sainte-Marie, serviert man die garbure, eine kräftige Gemüsesuppe mit Geflügelteilen. In Tarbes kommt eine Bohnensuppe aus den haricots tarbais und gelegentlich auch Pferdefleisch auf den Tisch. Rund um Pau isst man vor allem sonntags Huhn mit Gemüse (poule au pot).
Zum Nachtisch gibt es mal milden, mal würzigen Schafkäse (fromage de brébis), den die Schäfer im Hochgebirge herstellen. Eine kalorienreiche Alternative ist der süße gâteau à la broche, ein pyramidenförmiger Kuchen, der stundenlang an einem Stab über dem Feuer gedreht und mit Teig übergossen wird. Auf diese Kunst verstehen sich nur noch wenige Familien im Bigorre.
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