Romanische Baukunst in den Pyrenäen

Die Romanik in den Pyrenäen prägten vor allem italienische und französische Baumeister.

In den Pyrenäen blieben kaum architektonische Zeugnisse aus der Zeit vor dem 9. Jh. erhalten. Nur spärlich sind beispielsweise römische Funde, wie unterhalb der französischen Stadt Saint-Bertrand-de-Comminges, in der man die Grundmauern einer alten Römerstadt mit Marktplatz und Badehäusern entdeckte.

Erst im 10. Jh. kam es überall in und nahe der Bergwelt zu einem regelrechten Bauboom, und der hatte einen religiösen Hintergrund: die ›Entdeckung‹ der Gebeine des Apostels Jakob im fernen Galicien. Zahllose Pilger überquerten die Gebirgsbarriere auf dem Weg nach Santiago de Compostela zum Grab des Heiligen. Von Arles und Toulouse wanderten sie über den Somport-Pass, von Paris und Saint-Jean-Pied-de-Port über Roncesvalles.

Mit dem Jakobsweg boomt die Romanik

Beide Wege trafen sich auf spanischer Seite in Puente la Reina. Wer das Grab des Heiligen Jakob (Santiago) erreichte, dem wurden die Sünden vergeben, allerdings war der Weg lebensgefährlich. Räuberbanden lauerten den Pilgern auf und Krankheiten waren keine Seltenheit. Hospize wurden errichtet, Herbergen und vor allem Klöster und Kirchen.

Der Jakobsweg bis nach Santiago de Compostela hinterließ beachtliche Zeugnisse architektonischer Finessen: Wer schon damals mit Pilgerstab, Jakobsmuschel und Flaschenkürbis – und oft auch einem Dolch – unterwegs war, konnte immer wieder die hochmoderne Bautechnik der Romanik bewundern, den Pyrenäen-Baustil par excellence.

Benediktiner als Statiker

Benediktinermönche aus Cluny entwickelten eine äußerst stabile Bauweise. Statische und künstlerische Merkmale waren dabei die Rundbögen an Portalen und Fenstern, die Tonnengewölbe und ein basilikaler Kirchengrundriss aus einer dreischiffigen Halle und halbrunden Apsiden. Oft planten die Baumeister auch ein Querhaus mit ein.

Die Wehrkirche San Nicolás in Jaca mit robustem Turm erinnerte daran, dass der christliche Rückeroberungszug gegen das maurische Al Andalus noch lange nicht beendet war. Nach dem Tod des Mauren-Feldherrn Almanzor (der Unbesiegbare) 1085 besetzten die Christen Toledo und erleichterten damit die Bautätigkeit im Norden.

Denn die Schlachten nördlich der kastilischen Stadt wurden immer seltener. In Jaca entstand eine erste Kathedrale, das nahe Monasterium San Juan de la Peña baute man unter einem mächtigen Felsen und in Leyre erhebt sich eines der ältesten romanischen Klöster.

Baukünstler aus der Lombardei

In den östlichen Pyrenäen prägten nicht Mönche aus dem französischen Cluny, sondern vor allem Architekten aus der italienischen Lombardei die romanische Baukunst. Im Pyrenäen übergreifenden Gebiet zwischen Girona und Perpignan entwickelte sich im Hochmittelalter eine eigenständige Variante der Romanik.

Nachdem viele Kirchen von den Kriegern Almanzors zerstört worden waren, entstand in dem Ort Ripoll das geistig-religiöse Zentrum Kataloniens, das intensive Beziehungen zu Rom pflegte.

Guiffre el Pilós (Wilfried der Behaarte) machte aus der Klosterkirche von Ripoll ein Zentrum der Theologie und Wissenschaft und schon bald galt die Stadt als ›Wiege Kataloniens‹.

Zunächst setzten sich auch in der Umgebung schlichte lombardische Formen durch – leicht hervorstehende Mauerpfeiler, Blendarkaden und Zickzackornamente.

Highlights im Tal des Ochsen

Die Klöster Saint-Martin-du-Canigou, Saint-Michel-de-Cuxa, Elne und Serrabone lagen zum Teil weit im Hinterland, waren aber wegen ihrer religiösen und wissenschaftlichen Arbeiten sehr hoch angesehen.

In den Tälern der Pyrenäen – vor allem im katalanischen Boí-Tal und in Andorra – dominiert ein geometrisch strenger, schmuckloser Bau aus unbehauenem Stein und einem Glockenturm bis heute fast jedes Dorfzentrum.

Diese Campanile sind auffällig hoch und mit kleinen Zwillingsfenstern versehen.Hinter den Mauern kleiner Provinzkirchen verbergen sich großflächige romanische Wandmalereien.

Allerdings wurden viele der farbenfrohen Fresken gestohlen, versteigert oder verkauft, sofern sie nicht unter Putz versteckt waren. Schließlich griff der Staat ein, und inzwischen sind die schönsten Originale sakraler Gemälde im Museu Nacional d’Art de Catalunya in Barcelona zu sehen.

Im Boí-Tal hat man die Kirchenwände mit Kopien in leuchtenden Farben ausgemalt, wie es besonders anschaulich in der unteren der beiden Kirche von Taüll gelungen ist.

Auch so mancher romanische Figurenschmuck kam unter den Hammer oder wurde gar bis nach Amerika verschifft. Eindrucksvolle Zeugnisse der Steinmetzkunst gibt es jedoch weiterhin überall in den Pyrenäen, insbesondere an Kirchenportalen.

Höllenfiguren am Klosterportal

Unbekannte Künstler meißelten nach biblischen und zeitgenössischen Themen Heilige, Höllenfiguren und Humorvolles in schlichter, ausdrucksstarker Präzision, ob in Sangüesa, Girona oder vor allem im Kloster Santa María von Ripoll.

Die Fassade ist ein formvollendetes Beispiel bildhauerischer Kunst, doch sind die Skulpturen stark verfallen. Erst als der Figurenschmuck kaum noch zu erkennen war, stellte man das Glanzwerk der Romanik hinter Glas.

Sant Joan de Abadesses

Frühe, kunstvoll bebilderte Handschriften dienten den Steinmetzen oft als Vorlage, aber auch die Schnitzkunst wurde von ihnen inspiriert.

Meister und ihre Schüler schufen in Sant Joan de les Abadesses eine eindrucksvolle Darstellung der Kreuzabnahme aus Holz und – allerdings erst im 16. Jh. – in Saint-Bertrand-de-Comminges ein ganzes Chorgestühl.

Doch im Allgemeinen haben alle Kunstepochen nach der Romanik – ob Gotik, Renaissance oder Barock – in der Bergwelt keine besondere Rolle mehr gespielt.

Weiterführende Links

Wie die Pyrenäen entstanden

Parks der Pyrenäen

zählmarke